OÖN: Die Triennale Linz1.0 geht ihrem Ende entgegen. Sind Sie zufrieden mit der Besucherbilanz?
Kirsch: Ja, sehr. Wir - Lentos, OK und Landesgalerie - liegen jetzt nach dem Ars-Electronica-Wochenende bei rund 45.000 Besuchern, steuern also dem 50.000er entgegen. Das ist genau das, was wir uns von dieser ersten Linzer Triennale gewünscht haben.
OÖN: Viele der teilnehmenden Kunstschaffenden - darunter Lorenz Estermann - streuen besonders Ihnen Rosen bezüglich einer „klugen Auswahl“. Wie sind Sie dabei genau vorgegangen?
Kirsch: Lentos-Direktorin Stella Rollig und ich stehen ja permanent mit unterschiedlichen Kuratorinnen und Kuratoren in den Bundesländern in Kontakt. Sie haben uns auch auf Leute hingewiesen, von denen wir hier noch nichts wissen konnten, weil darunter viele Junge sind, die entweder noch nie, oder nur in Off Spaces ausgestellt hatten.
Wir haben zunächst einmal sondiert. Viel geholfen hat uns dabei das Internet. Die meisten jungen Künstlerinnen und Künstler haben heutzutage ja ihre eigene Homepage, und da kann man sich schon ein gutes Bild von deren Arbeitsweise machen. Wir haben sie also sozusagen „digital beobachtet“ und dann mehr als fünfzig Atelierbesuche absolviert.
OÖN: Betrachtet man die Triennale-Kunstwerke im Lentos, so lässt sich da - egal ob in der Zeichnung, der Malerei oder den Fotobearbeitungen - unzweifelhaft ein Trend hin zum Gegenständlichen, zum Konkreten erkennen, was ja lange Zeit in der Kunstszene überaus verpönt war...
Kirsch: Im Zentrum steht derzeit oft der menschliche Körper. Und auch die uns umgebende Realität. Verpönt sind heutzutage abstrakte Kunst und der Dokumentarismus aus den 1990er-Jahren.
OÖN: Ist es aber überhaupt noch möglich, auf dem Gebiet des Konkreten etwas Neues zu entwickeln?
Kirsch: Nun – die Kunst erfindet sich stets neu. Das ist meiner Meinung nach auch ihre Aufgabe. Wenn dabei etwas in irgendwelchen Referenzen geboren wird, so ist das ja auch stimmig, denn so funktioniert Kunstgeschichte eben. Fortlaufend und in Bezügen. Es ist ja deswegen noch keine schlechte Kunst, wenn es etwas schon einmal gegeben hat. Wenn Künstler das in der aktuellen Zeit relevant finden, dann ist das auch so.
OÖN: Gibt’s unter den zur Triennale im Lentos ausgestellten Kunstwerken eines, das Sie persönlich besonders anspricht?
Kirsch: Ich hab naturgemäß eine Affinität zu allen Arbeiten, sonst hätten wir sie ja nicht ausgesucht, aber ja, eine spricht mich doch schon besonders an. Es ist dies die Videoinstallation „1789“ von Sarah Ortmeyer, die sich in ihren Arbeiten mit der Bedeutung von Wörtern, Gesten, Symbolen beschäftigt.
1789 rote Sterne rieseln vom Eiffelturm über Paris. Je nachdem, wie man die Zahl ausspricht, steht sie einerseits für die französische Revolution (Siebzehnhundertneunundachtzig) oder es ist eben der rote Regen von Tausensiebenhundertneunundachtzig Sternen. Das Poetische und das Politische funktionieren hier parallel und das finde ich besonders gut gelungen. Das ist für mich sehr berührend.
Konkret bleibt einem doch nichts erspart...
...so läßt sich da unzweifelhaft ein Trend hin(?) zum Gegenständlichen, zum Konkreten, erkennen...
...es ist Kunst, die Form, Farbe und Bildgestaltung weitgehende
Anatomie von Gegenständlichem zugesteht...Quelle: Wikipedia, Henri
Matisse.
Winfried Wünsch