Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Erheiternde Ein- und Ausblicke: Erwin-Wurm-Ausstellung im Kunstbau Lehnbachhaus in München

Lachen mit Schrecken

Irritation in der Leibesmitte: Eine "Wutbeule" ("Anger Bump") quält diese mannshohe Figur. Foto: Wurm/VG Bild-Kunst

Irritation in der Leibesmitte: Eine "Wutbeule" ("Anger Bump") quält diese mannshohe Figur. Foto: Wurm/VG Bild-Kunst

Von Joachim Lange

Aufzählung Diese Ausstellung macht Spaß. Und nicht nur, weil sich Erwin Wurm – einer der prominentesten Künstler Österreichs – mit einem Selbstporträt als Gurke unter seine eigenen Objekte gemogelt und als Relief-Nachbildung auf das üppige Katalogbuch fabriziert hat.

Diese Gurke also in Originalgröße (bzw. -kleine) befindet sich mit 39 weiteren Objekten auf einer einzigen weißen Fläche im Zentrum der Ausstellung im umfunktionierten U-Bahnsteig, direkt neben dem Lehnbachhaus in München.

Jedes Objekt hat dort seine zehn Quadratmeter, egal ob groß oder klein. Hier erfährt man auch, wie Wurm sich "Stress" vorstellt oder eine "Wutbeule". Und man kann über ein wie Schokolade in der Sonne dahinschmelzendes Guggenheim Museum schmunzeln.

Blick aufs Eigentliche

Wer dann auf den runden, rosa Podesten daneben den Anweisungen folgt, der hat sogar einmal die Chance, selbst für einen Augenblick zum modernen Kunstwerk zu werden.

Es ist diese im wahrsten Sinne schräge Sicht auf die Dinge und die Welt, die durchs Vergrößern, Verschieben oder Verfälschen den Blick für das Eigentliche schärft. Da wird nicht nur der Künstler zum Allerwelts-Gemüse, da werden auch Allerweltsgegenstände zur Kunst – wie der alte Renault, der schief an der Wand lehnt, als hätte es ihn geradewegs aus einer Comic-Kurve getragen, wo sich die Dinge ja gemeinhin dergestalt verformen und auch noch "quietsch!!!" machen. Oder wie die Pullover und Strickjacken, die ins Riesenhafte gedehnt über eckigen Ständern kurz davor sind, mit einem "Peng!" zu platzen.

Genau das machen sie natürlich nicht. Sondern sie tarnen sich als abstrakte Installation oder Plastik oder Bild oder als irgendetwas dazwischen.

Der 1954 in Wien geborene Erwin Wurm blickt oft aus dem Geist der Comics auf die Welt. Nicht gleich immer so großmäulig, wie am Ende des Vorjahres, als der Künstler in einer Sonderbeilage der renommierten "Zeit" den gesamten Kanon der kommunikativen Tabus vorführte: "44 Vorschläge – eine soziale Skulptur" hieß das.

Groteske Größe

Aber auch in der grotesken Überzeichnung fungieren seine Arbeiten immer als ein Spiegel, in dem der Betrachter sich noch erkennt – um sich beim Lachen über das, was er da sieht, zu erschrecken.

Aufzählung Ausstellung

Erwin Wurm

München, Städtische Galerie im Lenbachhaus Kunstbau Königsplatz/ U-Bahn-Zwischengeschoss Bis 31. Jänner

Printausgabe vom Samstag, 19. Dezember 2009
Online seit: Freitag, 18. Dezember 2009 18:36:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at