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Galerien in Wien: Der Natur ihre Kunst, der Kunst ihre Natur

25.04.2007 | 18:29 | MANISHA JOTHADY (Die Presse)

Zeichnungen und Skulpturen von Andreas Heller und James Ireland im Projektraum "dreizehnzwei".

Für Goethe begannen Naturbetrachtungen und Naturverständnis mit dem unmittelbaren sinnlichen Eindruck. Er misstraute der durch Apparaturen gefilterten, der Natur gewissermaßen abgezwungenen Einzelerscheinung, sprach von „Abstraktion, vor der wir uns fürchten“. Dennoch war er sich bewusst, dass jede Form der Erkenntnis unweigerlich der Bilder bedarf. Sich ein Bild von Naturgegebenem zu machen führe jedoch, so war der Meister fest überzeugt, in die Abstraktion.

Um Natur als medial und kulturell vermittelte Konstruktion geht es in den Arbeiten des Grazers Andreas Heller (*1978) und des Briten James Ireland (*1977). David Komary, Betreiber des nicht-kommerziellen Projektraums „dreizehnzwei“, hat beider Arbeiten unter dem Titel „supersampling-antialiasing“ zusammengespannt. Scheint der Begriff „sampling“ aus der Musikwelt entlehnt, so bezeichnet „antialiasing“ in der Computergrafik ein spezielles Bildbearbeitungsverfahren. Übertragen auf die Ausstellung heißt das wohl, dass wir hier nicht nur mit unterschiedlichen inhaltlichen Zugriffen auf das Thema Natur konfrontiert werden, sondern es darüber hinaus vor allem um Prozesse der Bildherstellung selbst geht.

Beide Künstler arbeiten mit den Mitteln der formalen Reduktion. James Ireland schafft Skulpturen minimalistischer Ästhetik. Dabei verwendet er naturferne Materialien wie Plastik, Stahl und Glas, die er mit naturbelassenen Versatzstücken wie Astgabeln zu anziehenden Objekten verschränkt. Dass er derart die konventionellen Darstellungsmodi von Landschaften in der bildenden Kunst hinterfragt, vor allem auf die Bedeutung der Natur in der Kunst der Romantik anspielt, scheint nicht ganz entzifferbar. Auch wenn das die Interpretationen zu seinem Schaffen nahelegen. Viel interessanter sind hier die formalen Mittel, mit denen er die Gegensatzpaare Natur und Kultur bzw. Natur und Technik amalgamiert und letztlich – Goethe eingedenk – vor allem eines schafft: pures sinnliches Erleben.


Sonne droht Zeichnungen zu bleichen

Andreas Hellers via Blaupause gefertigte Kopien von Kupferstichen steirischer Landschaftsidyllen aus dem 19.Jahrhundert nehmen das „Malen nach der Natur“ aufs Korn. Nicht nur, dass sich die Details der Originale (die ja selbst schon eine Art Kopie sind) im schematischen Liniengewirr Hellers Zeichnungen vollkommen auflösen. Bei entsprechender Sonneneinstrahlung drohen sie außerdem zu verblassen! Kunst nach der Natur hat damit auch die Funktion, sich auf die Suche nach einer Natur zu begeben, die nach und nach zu verschwinden droht.

Mit einer rein geografischen Konstruktion beschäftigt sich Heller in C-Prints, die den „Pol der Unzugänglichkeit“ nahe der Antarktis zum Gegenstand haben. In der Befassung mit dieser vor allem für Forscher relevanten Größe zeigt sich, dass die Sehnsucht nach unentdeckten Regionen noch immer lebt. (Bis 26.5., Lambrechtgasse 13/2, Wien 4)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2007)


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