Salzburger Nachrichten am 25. Juli 2005 - Bereich: KI
Menasse als Redner auf dem Mönchsberg
Damit, "wovon wir reden und nicht reden, wenn wir von Kultur reden",
befasste sich der Schriftsteller Robert Menasse in seiner Rede, die er am
Montag vor zahlreich erschienenem Publikum im Museum der Moderne auf dem
Salzburger Mönchsberg hielt. Museumschefin Agnes Husslein hatte auf den
Umstand reagiert, dass seit langem zur offiziellen Festspieleröffnung kein
Eröffnungsredner geladen war. Um zu zeigen, dass sich die Kunst nicht dem Spektakel ausliefern solle,
habe sie Menasse gebeten, eine Festrede für Salzburg zu halten, sagte
Husslein. Schließlich laute auch der Titel der derzeit laufenden
Ausstellung des Hauses "Le grande spectacle". Menasse stellte die Zahl 170 Millionen an den Ausgangspunkt seiner
Rede. 170 Mio. Euro sei jene Summe, die als Umsatz aus der
Umwegrentabilität der Salzburger Festspiele erwartet werde, aber zugleich
jener Betrag, der den österreichischen Universitäten fehle, um den Betrieb
aufrechtzuerhalten. "Mit anderen Worten: In den wenigen Wochen des
Salzburger Kulturspektakels werden die Festspielgäste just jene Summe
schlicht und einfach verkonsumieren, die den österreichischen
Universitäten in diesem Jahr in ihrem Mindestbudget fehlen. Man könnte
auch sagen: Es feiert sich eine wirtschaftliche und gesellschaftliche
Elite vor der geistigen Sintflut." "Alle wirtschaftlichen Blütezeiten seit den bürgerlichen Revolutionen
waren Zeiten, in denen die Politik, nicht zuletzt auch durch
gesellschaftlichen Druck, stärker war als 'die Wirtschaft'. Alles Elend
und alle Menschheitskatastrophen aber geschahen in Zeiten, in denen 'die
Wirtschaft' der Politik ihre Interessen diktieren konnte", so Menasse
weiter. Von der Demokratie sei aber längst nicht mehr die Rede:
"Demokratie? War da was?" Viele Freiheiten zeigen, dass es der Freiheit grundsätzlich ermangelt.
So versteckt sich hinter dem Potpourrie der vielen kulturellen Höhepunkte
in einer Zeit der Einschränkung vieler unserer Freiheiten der Mangel an
Gewissheit, worin unsere Kultur eigentlich besteht, schon am Tag nach den
Sonntagsreden, die uns aufforderten, unsere Freiheiten zu verteidigen und
dabei uns - wirklich uns? - in lukrativen Spektakeln zu feiern", sagte
Menasse und wünschte: "Viel Spaß!" Das Publikum bedankte sich mit langem
Applaus. |