diepresse.com
zurück | drucken

08.10.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Augarten: Panamarenko-Schau
Künstler, Techniker, Fantast: Die Österreichische Galerie Belvedere widmet Panamarenko im Atelier Augarten eine Überblicksschau.

V
on Abstürzen ist nichts bekannt. Je denfalls offiziell. Schlägereien dage gen hat die Leidenschaft des 1940 in Antwerpen geborenen Henri van Herreweghe sehr wohl provoziert. Nachdem der als "Panamarenko" bekannte Künstler bei einem Happening 1967 für das Gefühl eines Kollegen etwas zu lang an seinen magnetischen Schuhen von einem Eisengestell baumelte, sollte der Schwerkraft durch Gewalt ihr Recht verschafft werden. Pardautz, es war ein Bodyguard zur Stelle und die Selbstinszenierung des exzentrischen Belgiers perfekt.

In weißen Anzügen und Panama-Hut schwebte der poetische Maschinenbauer durch die aktionistisch-konzeptuelle Kunstszene der 60er und 70er Jahre. Sein Treibstoff waren Joseph Beuys und die Flugpioniere des 19. Jahrhunderts. Ein exklusives Gemisch. Luftschiffe, UFOs, umschnallbare Flugsysteme entwarf Panamarenko in kleinteiligen Plänen, aufwendig mit peniblen Rechnungen und Zeichnungen versehen. Fiebrig wurden Modelle und Prototypen gebastelt, Kurbeln lassen Zahnräder ineinander greifen, transparente Plastik-Flügel beginnen zu schlagen - und was zählt, sind nicht die PS, sondern MS - die "Menschenstärke".

Ab heute, Mittwoch, widmet die Österreichische Galerie Belvedere diesem doch etwas schrulligen Künstler-Konstrukteur in ihrem Zentrum für zeitgenössische Kunst im Atelier Augarten einen Überblick. Den ersten dieses Umfangs in Wien. Kurator Thomas Trummer konnte aus einer Retrospektive aller 250 "Multiples" Panamarenkos des Antwerpener Museum van Hedendaagse Kunst eine umfassende Auswahl treffen. Die alle in einer bestimmten Auflage erschienenen Zeichnungen, Collagen und Objekte fügen sich ideal in die hellen, kühlen Räumen des Ateliers. Formal streng und inhaltlich trotzdem verspielt. Zu Beginn: Ein Fauteuil wie eine Wolke, die auf einem Metallgestell gelandet ist. Ausprobieren ist leider verboten, das Möbel soll schließlich noch die nächsten 35 Jahre überleben. In historischen Vitrinen platzierte man fragile Maschinen und Blätter. Wer den Schalter außen umlegt, kann überrascht werden. An der Wand gegenüber hebt metallisch grün "Bing, das UFO" ab zum Höhenflug, unterstützt durch die spielerisch Patina-heuchelnde - weil digital gedruckte - Plakatinschrift darunter: "Panamarenko is an exceptional and unclassifiable figure in contemporary art, one of the great creators of the end of the century." Bescheidenheit ist nicht gerade die größte Tugend des "inventor and visionary".

Verführerisch eitel weiß Panamarenko, der sich auch gern als Millionär ausgab, seinen Künstlernamen zu verschleiern: Ist es eine Anspielung auf die panamerikanische Fluglinie? Oder seinen geliebten Hut? Eine Symbiose mit dem von ihm verehrten russischen Konstruktivisten Rodtschenko vielleicht? Eine eingängliche Mischung aus Ost und West, Beuys' Eurasien lässt grüßen.

Panamarenkos Traum ist nicht der vom Fliegen - wenn er vom Himmel herunter schauen möchte, würde er sich ein Ticket kaufen, meint er. Der Ausgleich von Kräften ist es, der Schwebezustand fasziniert ihn. So lag es nah, nicht nur nach Wolken, sondern auch nach Wellen zu greifen. In den vergangenen Jahren ging Panamarenko also auf Tauchstation, entwarf U-Boote statt UFOs.

Auch hier trifft man keine Hightech-Flitzer, Panamarenko setzt wie schon bei seinen Flugversuchen immer bei den Ursprüngen an, die Geräte wirken nostalgisch, handgestrickt wie aus dem chaotischen Hobbykeller. Sein gutes künstlerisches Recht, ursprünglich wohl als Gegenpol zur technischen Aufbruchstimmung der 60er Jahre entstanden, als die Mondlandung Utopien in die Wohnzimmer holte. Jetzt sind sie elegant im Augarten gestrandet.

Bis 22. Februar. Di.-So. 10-18 Uhr. Atelier Augarten, Scherzergasse 1a, Wien 2.

© diepresse.com | Wien