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Dass sein Name den Eremiten assoziieren lässt, ist reiner
Zufall. Nichts desto trotz eignet der Arbeit von Lucas L'Hermitte etwas
Heiliges. 15 homogen graue Rechtecke, jedes fast ein Quadrat, hängen die
Bilder des 56jährigen Franzosen nun, über drei Wände verteilt, in einem
umgebauten steinernen Nutzbau. Mitten im Waldviertel, irgendwo im Dreieck
zwischen Gars, Zwettl, Krems, in einem grünen Tal namens Eisengraberamt.
Streng in Augenhöhe montiert, atmen sie die Luft der Umgebung,
kommunizieren sie mit dem Raum und ziehen doch die ganze Aufmerksamkeit
auf sich, um sich nach und nach, ganz langsam, mitzuteilen.
Aufs erste erscheinen alle gleich. Genau in der Mitte ist
jede Tafel durch einen dunkleren Strich in zwei Hälften geteilt. Erst bei
näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Trennlinie zugleich auch die
Grenze zwischen unterschiedlichen Grau-Nuancen bildet. Jetzt fängt das
Auge an zu vergleichen, wandert von einem Bild zum nächsten, lässt sich
vom Rhythmus der Hängung einfangen, um schließlich zum Ausgangspunkt
zurückzukehren.
Die Bilder beginnen, Erinnerungsarbeit einzufordern. Hier
schließt sich auch der Kreis zu ihrer Entstehung. Denn auch das dieser
Arbeit zu Grunde liegende Prinzip ist Erinnerung. Pro Fläche reserviert
der Künstler einen Tag, die andere Hälfte der Tafeln wird sorgfältig
abgedeckt. Mit höchster Konzentration reibt L'Hermitte mit einem Tuch
Industrieruss in die Polyester-Oberfläche ein, solange bis diese
gleichmäßig eingefärbt ist. Am zweiten Tag passiert dasselbe in der
anderen Hälfte. Ziel ist eine möglichst exakte Wiederholung des ersten
Vorgangs.
"Mein Arbeitsprozess basiert auf der Erinnerung, der
Erinnerung von einer Oberfläche zur anderen", sagt L'Hermitte. Daran
arbeitet er sich seit 17 Jahren ab: seit dem Zeitpunkt, als namhafte
Künstler ihrem - bis in die 80er Jahre wirtschaftlich eher erfolglos
agierenden - Galeristenfreund rieten, sich ganz auf seine Kunst zu
konzentrieren. Als konzeptuelle Grundlage dient L'Hermitte die
alphabetische Liste der Gemeinden des Normandie-Distrikts Manche.
Mittlerweile ist er bei "R" angelangt. "Raids", eines der neuen Bilder,
ist hier als letztes Glied einer Neuner-Serie ausgestellt. Über die Jahre
hat L'Hermitte gelernt, Abweichungen der Grautöne nicht als Fehler,
sondern auch als Qualität zu akzeptieren.
Dass diese Qualität in Österreich zu sehen ist, ist Chris
Lackner und Norbert Fleischmann zu verdanken, die auch die Kremser Galerie
Stadtpark betreiben. Sie haben den weitgehend Unbekannten, der allerdings
von renommierten Künstlern wie Sol Lewitt, Carl Andre oder Lawrence Weiner
umso mehr geschätzt wird, nach Österreich geholt. Im Rahmen einer privaten
Initiative laden sie nun "sommer, sonntags" bis zum Ende der Saison zur
Besichtigung seiner Werke ein.
Tel: 02716/80275,
www.eisengraberamtpp.at
© Die Presse | Wien
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