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21.08.2003 - Ausstellung
Hinter der grauen Grenze: Heilige Zwiefalt
Ein Geheimtipp sind die Arbeiten von Lucas L'Hermitte. Das Eisengraberamt p.p. zeigt sie derzeit.
VON JOHANNA HOFLEITNER


Dass sein Name den Eremiten assoziieren lässt, ist reiner Zufall. Nichts desto trotz eignet der Arbeit von Lucas L'Hermitte etwas Heiliges. 15 homogen graue Rechtecke, jedes fast ein Quadrat, hängen die Bilder des 56jährigen Franzosen nun, über drei Wände verteilt, in einem umgebauten steinernen Nutzbau. Mitten im Waldviertel, irgendwo im Dreieck zwischen Gars, Zwettl, Krems, in einem grünen Tal namens Eisengraberamt. Streng in Augenhöhe montiert, atmen sie die Luft der Umgebung, kommunizieren sie mit dem Raum und ziehen doch die ganze Aufmerksamkeit auf sich, um sich nach und nach, ganz langsam, mitzuteilen.

Aufs erste erscheinen alle gleich. Genau in der Mitte ist jede Tafel durch einen dunkleren Strich in zwei Hälften geteilt. Erst bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Trennlinie zugleich auch die Grenze zwischen unterschiedlichen Grau-Nuancen bildet. Jetzt fängt das Auge an zu vergleichen, wandert von einem Bild zum nächsten, lässt sich vom Rhythmus der Hängung einfangen, um schließlich zum Ausgangspunkt zurückzukehren.

Die Bilder beginnen, Erinnerungsarbeit einzufordern. Hier schließt sich auch der Kreis zu ihrer Entstehung. Denn auch das dieser Arbeit zu Grunde liegende Prinzip ist Erinnerung. Pro Fläche reserviert der Künstler einen Tag, die andere Hälfte der Tafeln wird sorgfältig abgedeckt. Mit höchster Konzentration reibt L'Hermitte mit einem Tuch Industrieruss in die Polyester-Oberfläche ein, solange bis diese gleichmäßig eingefärbt ist. Am zweiten Tag passiert dasselbe in der anderen Hälfte. Ziel ist eine möglichst exakte Wiederholung des ersten Vorgangs.

"Mein Arbeitsprozess basiert auf der Erinnerung, der Erinnerung von einer Oberfläche zur anderen", sagt L'Hermitte. Daran arbeitet er sich seit 17 Jahren ab: seit dem Zeitpunkt, als namhafte Künstler ihrem - bis in die 80er Jahre wirtschaftlich eher erfolglos agierenden - Galeristenfreund rieten, sich ganz auf seine Kunst zu konzentrieren. Als konzeptuelle Grundlage dient L'Hermitte die alphabetische Liste der Gemeinden des Normandie-Distrikts Manche. Mittlerweile ist er bei "R" angelangt. "Raids", eines der neuen Bilder, ist hier als letztes Glied einer Neuner-Serie ausgestellt. Über die Jahre hat L'Hermitte gelernt, Abweichungen der Grautöne nicht als Fehler, sondern auch als Qualität zu akzeptieren.

Dass diese Qualität in Österreich zu sehen ist, ist Chris Lackner und Norbert Fleischmann zu verdanken, die auch die Kremser Galerie Stadtpark betreiben. Sie haben den weitgehend Unbekannten, der allerdings von renommierten Künstlern wie Sol Lewitt, Carl Andre oder Lawrence Weiner umso mehr geschätzt wird, nach Österreich geholt. Im Rahmen einer privaten Initiative laden sie nun "sommer, sonntags" bis zum Ende der Saison zur Besichtigung seiner Werke ein.

Tel: 02716/80275,

www.eisengraberamtpp.at



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