Inszenierung ist das halbe Leben. Um ihre Reize keusch
zur Schau zu stellen, warfen sich im 19. Jahrhundert junge Damen in
die anmutigen Posen von Madonnen, Nymphen und Sagenfiguren. Um eine
Mineralwasserflasche zu verkaufen, werden auf Plakaten die Models schon
einmal nach Manets "Frühstück im Grünen" plaziert. Was in der Antike
begann, in der Renaissance, in den pompösen Festzügen des Barocks
weiterlebte und zu Goethes Zeit die bürgerlichen Salons zu andächtigen
Seufzern bewegte, ist bis heute in Film, Photographie und Video zu finden:
Das lebende Bild, die Tableaux Vivants. Dieser Kunstgattung zwischen
Performance und Statik widmet die Kunsthalle im Museumsquartier eine
Überblicksausstellung.
Lebende Skulptur
Beginnend mit der Frühzeit der Photographie, Mitte des
19. Jahrhunderts, folgt die Schau der Tradition der nachgestellten
Gemälde bis in die heutige Kunstproduktion. Nicht ausgelassen wird auch
die künstlerische Zwillingsschwester, die "Attitüde", in der klassische
Haltungen eingenommen werden, sozusagen eine "lebende Skulptur" geschaffen
wird.
Werke von 35 Künstlern, darunter Magritte oder Man Ray,
Karl Valentin oder Cindy Sherman werden gezeigt. Überraschend ist die
Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten und die unterschiedlichen
Motivationen der Künstler, ein Lebendes Bild einzusetzen. Die
feministische Kunst (Sherman, Valie Export) benutzte tradierte Posen zur
Demaskierung weiblicher Rollenmuster, der Aktionismus (Arnulf Rainer)
stellte den gepeinigten Körper in den Mittelpunkt, Pierres et Gilles die
hohlen zum Kitsch verkommenen Idealbilder.
Neben absehbar zum Thema passenden Künstlern, setzte die
Kunsthalle aber auch auf Grenzgänger. Wenn in einem Video Drogensüchtige
mit aller Mühe für einige Minuten zu einer Art Sozialplastik erstarren,
wie ein Caravaggio-Gemälde mit Schlagschatten modelliert, wird Kunst
beunruhigend.
Ausschnitt und Rahmen
Was definiert ein lebendes Bild? Die Grenzen scheinen
immer stärker zu verschwimmen. In einem Video von Liza May Post robben und
schleichen mit gemusterten Stoffen bekleidete Figuren wie Chamäleons durch
eine Teppichlandschaft, erstarren in immer neuen Posen zum exotischen,
atmenden Skulpturengarten. Hier macht der Ausschnitt das Bild.
Festgelegter Rahmen, strenge Inszenierung sind wohl die Kennzeichen der
Lebenden Bilder der Gegenwart.
Durchdacht ist auch die Ausstellungsarchitektur. In die
Halle Eins wurde praktisch ein eigenständiges Objekt, ein
überdimensionaler Tisch, eingebaut. Auf der Platte werden großformatige
Arbeiten wie Hiroshi Sugimotos mehr als sieben Meter breites "Letztes
Abendmahl" gezeigt. Auch Eleanor Antins Serie von knalligen
Farbphotographien, "The Last Days of Pompeii", findet hier ihren Platz.
Sozusagen unter der Tischplatte, zu ebener Erde, wurde ein System von
intimen Kojen eingerichtet, wo kleinere Arbeiten wie Karl Valentins Posen
als lebende Karikatur durch die Nähe wirken können.
Bis 25. August, täglich 10 bis 19 Uhr, Do. bis 22
Uhr.
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