Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Leopold Museum: Aksel Waldemar Johannessen – Ein Expressionist aus Norwegen

Der malende Anwalt der Mittellosen

Johannessens "Mutter mit Kind" (1918/1920) zeigt seine Auseinandersetzung mit den von Armut Geplagten. Foto: Privatbesitz

Johannessens "Mutter mit Kind" (1918/1920) zeigt seine Auseinandersetzung mit den von Armut Geplagten. Foto: Privatbesitz

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Als Erweiterung zur Schau um "Edvard Munch und das Unheimliche" kann das Leopold Museum eine Neuentdeckung aus Norwegen anbieten: Aksel Waldemar Johannessen (1880 bis 1922) war Bildhauer, Maler und Designer von geschnitzten Möbeln und Folklorekostümen, die das Norwegische Theater und Dichter wie Arne und Hulda Garborg bei ihm bestellten.

1990 wurden seine Bilder vom Galeristen Haakon Mehren in der Scheune eines Landhauses bei Oslo wiederentdeckt. Aus unerfindlichen Gründen lehnt die offizielle Museums-Szene dort die Arbeiten des Künstlers bis heute ab.

Tragisches Schicksal eines Alkoholkranken

Franz Smola vergleicht das tragische Schicksal des Künstlers, der an seiner Alkoholsucht kurz vor seiner krebskranken Frau starb, mit Klemens Brosch und Richard Gerstl in Österreich. Munch hatte bei der Gedächtnisausstellung 1923 in der renommierten Galerie Blomqvist diese Bilder als das Merkwürdigste bezeichnet, dem er je begegnet sei. Neben so manchem unheimlichen Aspekt und autobiografischen Zügen psychischer Zustandsgebundenheit zeichnen sie sich durch starke Farbkontraste des Expressionismus, fallweise aber auch eine besondere Pinselschrift aus.

Darstellungen eines traurigen Lebens

Die sozialen Inhalte sind durchaus dem Engagement einer Käthe Kollwitz in Deutschland vergleichbar. Neben dem traurigen Leben von Armen, Arbeitern und Prostituierten malte Aksel Waldemar Johannessen seine Frau und Töchter als "Trinkerfamilie" oder "Hungrige Kinder aus Wien" nach 1918. Eine Art Gegensatz zu den tristen Themen bilden Landschaften mit Alleen, Bauern am Feld und fulminante Nachtszenen um das Jahr 1920.

Einflüsse erhielt der Künstler nicht nur aus der norwegischen Szene, sondern auch von Edgar Degas. Wohl eher zufällig ist dagegen die Parallele zum frühen Max Beckmann mit gemalten Höllenszenen wie "Ohne Frieden" und der unvollendeten "Kreuzigung". Die selbst geschnitzten Rahmen verbreiten einen besonderen Effekt zwischen Jugendstil und Expressionismus – sie zeigen den starken Einfluss der Folklore auf die erste Moderne.

Aber auch die Büsten und Grafiken Johannessens bereichern die norwegische Szene um Munch in ähnlich eigenwilliger Art.

Aufzählung Ausstellung

Aksel Waldemar Johannessen.
Ein Expressionist aus Norwegen
Rudolf Leopold, Franz Smola (Kuratoren)
Leopold Museum
http://www.leopoldmuseum.org
bis 11. Jänner 2010

Printausgabe vom Freitag, 18. Dezember 2009
Online seit: Donnerstag, 17. Dezember 2009 17:03:10

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at