Iris Andraschek

 

 

 

 

Ulrike Matzer

 

 

Galerie 5020
Salzburg
23.11.2000 - 16.12.2000

 

Wenngleich auch Iris Andraschek mit der Abbildung des eigenen Lebensumfeldes befasst ist, heben sich ihre Fotoarbeiten markant von jenen zahlreicher anderer KünstlerInnen ihrer Generation ab, die sich dem aktuellen Trend zu »privaten« Schnappschüssen verschrieben haben. Als quasi beiläufige Praxis bildet das fotografische Festhalten vorgefundener oder auch inszenierter Szenen einen Teil ihres Lebens – doch stellen die Bilder aus konkreten Milieus keineswegs straighte Reportagefotografie dar. Im Gegensatz etwa zu Nan Goldins Vorführen einer Subkultur, die vom Publikum aus sicherer Distanz zu betrachten ist, konfrontiert uns Andraschek mit Momenten, wie sie permanent passieren, mit der Groteske unserer eigenen Normalität, was mitunter auch unbequem werden kann. Fotografiert und verarbeitet wird das (ihr) Naheliegende: Familie, Freunde, Bekannte, die Waldviertler Umgebung, in der sie aufgewachsen ist. Ihre Aufmerksamkeit gilt jenen Orten und Prozessen, in denen mittels sozialer Gruppenbildung die Selbst-Bestimmung außerhalb der Erwerbsarbeit stattfindet (dem sogenannten Privaten, der Freizeit, der Familie, Ausflügen, Spielen etc.), und dabei vor allem Leuten, die sich in dieser Hinsicht für Abseitiges interessieren (Esoteriktreffen, Hypnosesitzungen oder wildes Lagern in der Natur). Übergänge verschiedenster Art, andere Bewusstseinszustände wie Schlaf, Trance oder völliges In-sich-versunken-Sein bilden dabei ein durchgängiges Motiv: das Umkippen einer vertrauten Welt in eine fremde.
Um auch die AusstellungsbesucherInnen in eine Art Zwischenreich zu entführen, gestaltete Iris Andraschek in der Salzburger Galerie 5020 stark aufgeladene Räume, die auf intensives sinnliches Empfinden abzielen: Farbiges Licht und bunt glitzernde Spielzeugperlkettengehänge versetzen in kindliches Erstaunen; gleichzeitig befremdet das Foto eines dicklichen bebrillten Mädchens mit einem Schwein. Zwei lagerartige Plätze aus weichen (IKEA-)Tierfellen und von der Decke baumelnden, verschieden großen Fotobüchern aus dicker Pappe, mit Szenen, die in den Rauminstallationen spielen könnten, evozieren Stories zwischen Wildnis und Zivilisation. Am Boden liegendes, duftendes Stroh suggeriert Erdverbundenheit, dazwischen spritzt es glucksend aus einem von Rauchnebelchen umdampften Lavoir. Die integrierten Fotos treten oft in Sequenzen auf; Handlungsfelder werden aufgebaut, aber nicht ausformuliert. Die Bedeutung konstituiert sich zwischen den Bildern, in den Übergängen, und dies lässt konträrste Interpretationsmöglichkeiten zu. Dass dem Einzelbild keine Meisterwerksqualität zugestanden wird, es vielmehr immer ein Bild davor und danach gibt, ist ebenso ein Statement zum gegenwärtigen Zustand der visuellen Kultur wie Andrascheks seit Jahren unbeirrt betriebener Einsatz fotografischer Verfremdungsmethoden abseits digitaler Möglichkeiten (Doppel- und Überbelichtung, Farbschleier, Prismen vor der Kamera zugunsten kaleidoskophafter Wirkungen und Brechungen sowie zur Änderung von Größenverhältnissen). Über den spezifischen formalen Aspekt der Fotos und das Operieren mit verschiedenen Materialien und Aggregatzuständen im Rahmen der Inszenierungen wird auf die inhaltliche Ebene verwiesen, das Uneindeutige, nicht Festgeschriebene, Floatende, was die Rezeption in Richtung einer reflektierten Analyse der Subjektproduktion und -positionierung verlagert: Zu jedem vorgeführten sozialen Setting beziehen wir unweigerlich Stellung, untersuchen die gesellschaftlichen Angebote und versichern uns unserer eigenen Distinktionen, etwa über die Frage, wie wir selbst mit gewissen (mitunter auch banalen, billigen) Objekten und Materialien unsere eigene Identität beständig aufladen.


 

   

 

 

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