Die Kunsthalle Wien zeigt Arbeiten des Georgiers
Andro Wekua
Versenkung in das Ich
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Andro Wekuas Gestalten sind auf sich selbst konzentriert und
verschließen sich der Interaktion mit der Außenwelt. Foto: Stephan
Wyckoff/Andro Wekua/Gladstone Gallery
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Von Manisha Jothady
Ein in
gleißendes Neongelb getünchter Bühnenraum: Lasziv räkelt sich darin eine
androgyne Gestalt auf einem Motorrad. Dennoch wirkt sie in sich
gekehrt, ihre Augen sind geschlossen. Ein kranker, algengrüner Farbfilm
überzieht ihr Gesicht. Wie im Theater beteiligt man sich hier von Außen
an jedem Detail, wird verführt und gleichzeitig auf Distanz gehalten.
Das Vertraute wendet sich ins Unheimliche, in jenes Gefühl, das sich
nach Freud dann regt, wenn hinter der "Heimeligkeit" eine irritierende,
angsterfüllende Dimension hervortritt.
Andro Wekua, 1977 im georgischen Sochumi geboren, verknüpft in seiner
Kunst kollektive und persönliche Erinnerungen zu eindringlichen, meist
verstörenden Darstellungen. Neben skulpturalen, bühnenhaft inszenierten
Settings zeigt die Kunsthalle Filminstallationen und Malerei-Collagen
des derzeit in Berlin und Zürich lebenden Künstlers. In Wekuas
zweidimensionalen Arbeiten tritt das Dargestellte aus einem
unergründlichen Bildraum hervor. Motive aus Magazinen, aus dem Internet
oder aus alten Fotoalben werden überklebt und übermalt. Es entstehen
kaleidoskopähnliche Collagen, assoziative Bilder, geistig beheimatet im
Niemandsland, wo nicht Zuversicht regiert, sondern Beklemmung und
Melancholie.
Die Protagonisten in Wekuas Arbeiten, seien es jene in den Collagen
oder naturalistisch nachgebildete lebensgroße Figuren aus Wachs,
verschließen sich der Außenwelt. Sie sind eingefroren in Momente des
Stillstands und der Selbstreflexion. Ihre oft suggestiven
Körperhaltungen verweisen auf einen ambivalenten Zustand der
Sinnfindung. In ihnen kann sich der Betrachter selbst bespiegeln. Das
ist verführerisch, vielversprechend und schrecklich zugleich.
Zersplitterter Spiegel
"Die Auseinandersetzung mit Andro Wekuas Werk ähnelt einem Blick in
den zersplitterten Spiegel einer wundersamen Welt – den Spiegel nicht
klassifizierbarer Träume und der Wirklichkeit", hieß es 2006 im
Begleitkatalog zur Vierten Berlin Biennale. Vor allem aber erzeugen sie
mentale Brüche und geben neuen künstlerischen Mythen Raum.
Letztere manifestieren sich auch in Wekuas unlängst fertig gestelltem
und aufwendig produziertem Film "Never Sleep with a Strawberry in Your
Mouth". Dass sich der humorvolle Titel mit der filmischen Erzählung rein
gar nicht in Verbindung bringen lässt, mag durchaus der auf
Gegensatzpaaren aufgebauten Strategie des Künstlers zuzuschreiben sein.
Die künstliche Ästhetik von Virtual-Reality verschränkt Wekua hier mit
blankem Horror, der Pate für sämtliche seiner Arbeiten steht. Die
marionettenhaft wirkenden Akteure hält er in einer labyrinthartigen
Architektur gefangen. Das Außen dringt nur symbolisch, in Form von
verschlossenen Fenstern und heruntergelassenen Jalousien in diese Welt
der Isolation ein.
Wie in den anderen Arbeiten sind die Figuren (und die Betrachter)
auch in diesem Film auf sich selbst und ihre verdrängten Ängste
zurückgeworfen. Selbst der Erlöser, der in Star-Trek-ähnlicher Gestalt
gegen Ende erscheint, bleibt letztlich nur eine stumme Larve. In der
Schlusseinstellung rotieren Delfine um die eigene Achse. Die Reise ins
Unbewusste führt in eine Traumlandschaft.
Gänzlich anders dagegen Wekuas zweite Filmarbeit in dieser Schau:
grobkörniges Filmmaterial, nostalgisch anmutendes Schwarzweiß,
amateurhaft gedrehte Aufnahmen von Georgien und seinen Menschen.
Beiläufig bringt der Künstler hier das ins Spiel, worauf die Ausstellung
insgesamt kaum schließen lässt: seine Biografie.
Ausstellung
Never Sleep with a Strawberry in Your Mouth
Arbeiten
von Andro Wekua
Kuratorin: Angela Stief
Kunsthalle
Wien
Bis 5. Juni
Printausgabe vom Dienstag, 22.
Februar 2011
Online seit: Montag, 21. Februar 2011 17:43:00