Atmosphärische „Sauerei“ von Demeter Koko (1891–1929), österreichischer Maler des Spätimpressionismus Bild: artemons
Mit Kunst auf dem „heiligen (Pöstling-)Berg“ wird es also trotz des millionenschweren Budgets für Linz09 nichts. Anderseits bietet eine Privatinitiative an, was unverständlicherweise das offizielle Präsentationsprogramm für das Kulturhauptstadt-Jahr unter den Tisch kehrt.
Nämlich: was an (inzwischen natürlich oft schon historischer) Kunst hierzulande entwickelt wurde und weit über die Region hinaus Anerkennung fand. Die Rilke-Privatstiftung zeigt in der Galerie „Artemons“ in Hellmonsödt einen ungemein beeindruckenden, intelligent strukturierten Querschnitt durch das oberösterreichische Kunstschaffen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Leihgaben steuerten auch die Landesmuseen und das Stadtmuseum „Nordico“ bei.
Warum gerade der Zeitraum 1914 bis 1945? Helmut Rilke, Begründer der Stiftung und Eigentümer der meisten hier gezeigten Bilder: „Das ist insgesamt eigentlich meine Lieblingszeit. Zur Zwischenkriegszeit gibt und gab es ja genügend Ausstellungen. Aber wir wollten einmal ausdrücklich auch künstlerische Dokumente zu Krieg, Gewalt und Not zeigen, eingebettet darin Dokumentationen zur Kunst-Philosophie der Systemzeit, denn auch das ist Zeitgeschichte.“
Dunkle FlutSo werden in zwei großen Blöcken gut 200 Bilder (von der kleinen Grafik bis zum großen Ölbild) gezeigt, ein Künstler-Alphabet von Leo Adler bis Franz von Zülow. Man begibt sich auf eine Wanderung, die von harmloser Landschafts-Poesie in den traditionellen Ausdrucksmitteln der Zeit tatsächlich bis zu beklemmenden Bild-Aussagen zu Krieg, Elend, Tod, Verzweiflung, Resignation reicht.
Die Eindrücke überschwemmen den Betrachter wie eine dunkle Flut: Franz Sedlaceks „Auferstehung des Fleisches“ (1938); Alfred Kubins „Saturn“ (1935/36); Klemens Broschs „Gefallene vor Stacheldrahtverhau und Birkenstämmen“ (1914); Albrecht Dunzendorfers „Der große Treck“ (1940); Ludwig Schwarzers gespenstische Visionen; und, und, und ...
Manches ist aus früheren Ausstellungen mit Exponaten der Sammlung bekannt, aber in diesem besonderen Konzept-Rahmen strahlen die Bilder eine besondere bedrückende Atmosphäre aus. Nochmals: Es geht aber nicht nur um Not und Krieg. Dieses Thema ist wohl eine Leitkomponente durch die Ausstellung. Doch der Rahmen ist eine kompakte Veranschaulichung der kunstphilosophischen Entwicklung etwa der „Neuen Sachlichkeit“ ebenso wie das Eingefügtsein der Maler in die Strömungen der Kunst- und Kulturphilosophie der „Blut und Boden“-Zeit, was auch exemplarisch verdeutlicht wird (etwa Glaubacker, Fröhlich, Lutz).
Gute ErgänzungInsgesamt: eine dankenswerte, unspektakulär organisierte Ergänzung der offiziellen Programme in der Kulturhauptstadt, die das wichtige Segment der Vermittlung der Potenz heimischer Kunst aussparen, die noch bis Sonntag, 19. April. laufende gute Ausstellung „Linz-Bilder“ im Lentos ausgenommen.
Gehen wir halt über den heiligen Berg höher hinaus, um das in der Donau-Ebene Versäumte hier zu erleben.