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02.09.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Ars Electronica: Heimelig singen die Glühbirnen | ||
VON THOMAS KRAMAR | ||
"Waveform B" im Lentos, "Cyberarts" im OK, Decke im Bahnhof: künstliche Umgebungen in Linz. | ||
Sie hüllen uns ein, die elektronischen und medialen
Künste, sie setzen uns vielleicht keine "Cyber-Helme" mehr auf, aber sie
stecken uns in "Environments", verkabeln uns, betören uns mit
"Ambient"-Klängen. Im Lentos, dem Museum, das die Donauuferlandschaft
einrahmt, lädt nun Ulf Langheinrich bei der Ars Electronica in ein betont
nicht einladendes Ambiente: "Waveform B", das sind zwei Räume, in denen es
leise, aber unerbittlich blitzt und grollt, dröhnt und vibriert, während
auf Video-Beeten körnige Strukturen leblos zittern. Erholsam im Vergleich
zu den Lärm-und-Licht-Attacken von Langheinrichs "Granular Synthesis",
aber subtil unbehaglich, wie die klaustrophobischen Zimmer in David Lynchs
Film "Lost Highway". Ein akzeptables, wenn auch für den Materialaufwand
enttäuschendes Kontrastprogramm zum abgewohnten virtuellen
Biedermeier-Wohnsalon. Ein nicht virtuelles, doch nicht völlig reales
Schlafzimmer empfängt einen im Linzer Hauptbahnhof, geradezu unordentlich,
ja: lebendig zwischen all diesen supersauberen Geschäften: Nicolaus
Stedmans "Blanket Project" ist im Wesentlichen eine Decke, die sich,
gesteuert von einem Gehilfen am Computer, um den Probanden windet, als
wolle sie ihn aufs Bett drücken: eine sanfte, aber bestimmte Umgebung.
Dass sie, wie's im Programmheft heißt, "auf Aktionen der Besucher
reagiert", stimmt nicht, aber solche Übertreibungen ist man ja gewohnt von
der Technologie-Kunst. Die auch heuer im OK-Zentrum, bei der
"Cyberarts"-Ausstellung der Prix-Ars-Electronica-Preisträger, alle
synästhetischen Stücke spielt. Da spielt man Tennis mit Bildschirmen ("TFT
Tennis V180") und Plattenspieler mit der Erde ("G-Player"), da sprechen
die Flammen ("Firebirds") und glühen die Häuser ("Glow Positioning
System"), dass es nur so eine Lust ist. Und zwischen all den
ambitionierten Basteleien findet sich doch manches, was einen zum Grübeln
bringt: die "Gravicells" etwa, einen Boden, der bei Betreten seine
Geometrie zu ändern scheint, als wäre man schwer genug, den Raum zu
krümmen. Oder, aus der Abteilung "Paranoia zum Selbermachen", die
Installation "Run Motherfucker Run": ein Laufband, auf dem man durch eine
unheimliche nächtliche Stadt rast, zu schwelgenden Gitarren. Oder die
völlige Verwandlung in "POD": der Wind, der über die Dächer von Montreal
pfeift, dargestellt in stoisch blinkenden Leuchtdioden. Dann singen noch
die Glühbirnen ("Condemned Bulbes"), man weiß gleich ein Motto für die
heurige Ars, Bob Dylans alten Rat: Immer eine Glühbirne tragen und klaren
Kopf bewahren. Besonders in hybriden Umgebungen.
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