Utopien in Filz und Fett

Sabine Oppolzer über die aktuelle Joseph Beuys-Ausstellung im Wiener MAK.


Über 20 Jahre ist es her, dass es in Wien eine umfassende Präsentation von Arbeiten von Joseph Beuys zu sehen gab. Nun ist es wieder so weit. Das Wiener Museum für angewandte Kunst zeigt bis 30. April Editionen und Multiples des 1986 gestorbenen Künstlers. Die rund 560 gezeigten Objekte stammen alle aus der Berliner Privatsammlung Reinhard Schlegel, die neben jener des Bonner Kunstmuseums die einzige nahezu vollständige Kollektion der vervielfältigten Kunst von Beuys darstellt und die in den 70er Jahren begonnen wurde.

Ideen in der Vitrine

Inmitten der Ausstellung prangt ein vom Künstler gestalteter Vitrinentisch. Er beinhaltet Zeitschriften, Fotomappen, ein Wahlkampfplakat für die Grünen "Sonne statt Reagan", das bekannte Multipel "Kunst = Kapital" und neben vielen anderen Dingen auch den Eurasienstab aus der Aktion 7000 Eichen, die Beuys bei der Documenta 1982 präsentierte. Dort hatte er 7000 Basaltblöcke aufgetürmt. Und immer, wenn eine Eiche in Deutschland oder in Österreich gepflanzt wurde, wurde einer der Blöcke entfernt. Auch einer dieser Steine, die später bei Aktionen besprüht wurden, ist in dieser Ausstellung zu sehen.

Anti-elitäre Kunst

Das Credo des Künstlers lautete "Erst die Multiplikation oder Verbreitung von Ideen verwandelt sie in eine wirksame Kraft und sichert ihr Fortbestehen." Teil 2 des Verbreitungskonzeptes war es, die Kunstwerke durch die Auflagenhöhe so billig zu machen, dass sich auch Kleinwagenbesitzer diese leisten konnten. Die Editionen und Multiples waren Beuys' Vehikel, um seine radikal-politischen Ideen einer neuen Gesellschaftsutopie zu verbreiten und so entstanden ab 1965 Postkarten, Plakate, Druckgrafik, Fotos, Dokumente, Filme, Bücher, Industrieprodukte, Reproduktionen, Proklamationen, Vervielfältigungen seiner "Schultafeln", und Objekte aus Filz und Fett.

Schlitten, 1969 / ©Bild: SMPK/MAK
Schlitten, 1969 / ©Bild: SMPK/MAK

"...dann habt ihr mich"

"Wenn ihr alle meine Multiples habt, dann habt ihr mich ganz", sagte Beuys einmal. Und das wäre auch seine Motivation, um so viele Multiples wie möglich zu machen und um sich selber einzubringen, erklärt die Ausstellungskuratorin Bettina Busse.

Denken mit dem Knie

Freitagsobjekt
Freitagsobjekt "1a gebratene Fischgräte (Hering)", 1970 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: SMPK/MAK
Die Objekte sind nur verständlich in Zusammenhang mit den Ideen des Künstlers. Ihm ging es um ein Zusammenführen von Kunst, Politik und Wissenschaft, drei Bereichen also, die seit Beginn der Moderne zunehmend getrennt voneinander existierten. Für Beuys folgte daraus: "Jede Handlung ist politisch. Jede Handlung ist künstlerisch." 1969 votierte Beuys für eine Partei der Tiere, deren meiste Mitglieder laut Beuys Tiere waren. 1967 verkündete er die Gründung des freien, demokratischen, sozialistischen Staates Eurasia.

"Wer nicht denken will, fliegt raus", heißt es da auf einem Karteikärtchen, das in der Ausstellung gezeigt wird, "Demokratie ist lustig" auf einem Poster von Beuys mit Heroen der 68er-Bewegung und schließlich die Erkenntnis: "Ich denke sowieso mit meinem Knie."

Beuys' Filme

Wie die Editionen bilden auch die Filme einen integralen Bestandteil seines Oeuvres. Das MAK zeigt parallel zur Ausstellung Filme von und über Joseph Beuys, die zum Teil zum ersten Mal in Österreich entstanden sind, wie beispielsweise "Joseph Beuys in Wien bei Bruno Kreisky" oder "Joseph Beuys im Gespräch im Günther Nenning".

Links: MAK
Multiples - Joseph Beuys

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