Wer Berühmte fotografiert, ist berühmt
Annie Leibovitz in Wien. Das KunstHausWien zeigt eine Ausstellung mit spektakulären Bildern der legendären „Prominentenfotografin“ aus den Jahren 1990 bis 2005.
ERNST P. STROBL Wien (SN). Wie kann man bloß so viel Schulden machen? In letzter Zeit überschlugen sich Pressemeldungen, dass Annie Leibovitz arge Probleme hätte, aber genau diese Neugier musste man sich bei der Presseführung verkneifen. 24 Millionen Dollar Minus? Ist aber ihr Problem. Fest steht, dass Annie Leibovitz wohl die berühmteste lebende Fotografin ist, vor deren Kamera Berühmtheiten aus Politik, Pop und Hollywood und sogar die Queen posierten. Wie kriegt man Elizabeth II. dazu, vor einem Winterhimmel neugierig-freundlich in die Kamera zu blicken? Ihre „Empathie“ mit dem jeweiligen Motiv hätte auch die Queen überzeugt, sagte Annie Leibovitz, die am Donnerstag im KunstHausWien eine hervorragende Ausstellung von privaten und kommerziellen Fotos eröffnete.
Der Medienrummel war bedrängend, Annie Leibovitz zeigte sich unbeeindruckt und gesprächig, was ihre Kunst betrifft. Mehr als 150 Fotos sind im KunstHausWien zu sehen, viele davon zählen zu den Ikonen und zierten einst die Titelblätter von „Vanity Fair“ oder „Vogue“. Die 1949 in Connecticut geborene Fotografin – sie lebt heute mit ihren drei Töchtern in New York – zeigt in der Schau nicht nur „Promis“, sondern zahlreiche private Bilder. Auf kleinen Formaten sind da die Eltern zu sehen, etwa die Mutter, die übermütig am Strand auf einem Bein balanciert, oder der Vater, den Leibovitz bis zu seinem Tod häufig abbildete. Die höchst privaten Aufnahmen der Familie und enger Freunde werden nicht von der „offiziellen“ oder gar staatstragenden Fotografie abgetrennt. „Ich habe mich gefragt: Passen die privaten und die professionellen Fotos zusammen?“, sagt Leibovitz. „Was für eine dumme Frage! Die gehören nicht zusammen, die sind eins“. Vor allem die 2004 verstorbene Schriftstellerin Susan Sontag, „Lebensmensch“ der Leibovitz, ist auf vielen Fotos zu sehen, ob im Pyjama auf der Couch, nackt in der Badewanne oder auch bei gemeinsamen Reisen wie in Jordanien oder während des bosnischen Kriegs in Sarajevo.
Da tauchen spannende Kontraste auf. Das bedrückende Bild eines umgestürzten, von Blut umgebenen Kinderfahrrads ist Teil einer Geschichte, die Annie Leibovitz in Sarajevo erlebte, als ein kleiner Junge von Heckenschützen getroffen wurde und auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb. Blutspuren an einer Schulwand fotografierte Leibovitz auch in Ruanda. Wie einen bitteren Kontrast zur Realität bestaunt man die „Helden-Fotos“ der offiziellen Geschichtsschreibung: Ordenbehängte Krieger wie Colin Powell oder General Norman Schwarzkopf stehen wie Denkmäler vor der Kamera. Fast listig wurde ein Bild von George W. Bush und seiner Mannschaft hingehängt, daneben ein Foto des subversiven Filmemachers Michael Moore und wiederum gleich daneben Bill Clinton.
Lieber als die Rumsfelds sieht man die Hollywoodstars, die coolen Burschen wie Robert de Niro oder Al Pacino, Brad Pitt in Leopardenhose oder Leonardo DiCaprio mit Schwan um den Hals, Bruce Springsteen oder Mick Jagger auf einem Hotelbett oder Johnny Cash mit seinen Enkeln bei der Hausmusik. Vieles wirkt wie vertrautes Geben und Nehmen. Demi Moore mit ihrem Schwangerschaftsbauch erregte einst sensationelle Aufmerksamkeit. Mehrere Wände zeigen zahllose kleine Bilder, wie sie bei der Erstellung eines Buchs zusammengesucht worden waren.
Eben dieses Buch „Annie Leibovitz – At Work“ ist jüngst bei Schirmer/Mosel erschienen, es begleitet die Ausstellung als umfangreicher, hoch informativer Katalog zu einem wahrhaft schillernden Fotografenleben (bis 31. Jänner).www.kunsthauswien.com