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Abschalten und durchstarten

25.09.2008 | 18:27 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Wahlversprechen tun Schädel zerfetzen. Man müsse mehr für Gegenwartskunst tun, fordert jetzt etwa die SPÖ.

Und setzt dabei wohl auf eine galoppierende Amnesie, wenn die Kunstschaffenden zur Urne schreiten. Denn welche Partei hätte am leichtesten die Gegenwartskunst stärken können in den vergangenen Jahren? Wo sind die zwei (!) Kunst-Stiftungen, die uns Schmied und Gusenbauer versprachen? Wo ist die Reform der Bundesmuseen? Und wo der freie Eintritt, der sogar im Regierungsprogramm stand?

Erst der Wahlkampf macht ihn möglich: Im Mumok müssen Kinder zur Zeit nichts zahlen, das Ministerium vergilt den Einkommensverlust mit einer Pauschale. Ein Versuch, der nach der Wahl wieder endet. Aber dann wird Schmied sowieso schon Finanzministerin sein und die Künstler und Museumsdirektoren ins Schlaraffenland katapultieren. Versprochen. Und Ex-Kunststaatssekretär Franz Morak wird dann wieder am Burgtheater arbeiten, als Regisseur. Seinen Chef, Matthias Hartmann, hat er sich 2004 selbst bestellt. Vorhang, bitte.

Aus einer Not heraus hat Ministerin Schmied aber eine Entscheidung getroffen, die einen internationalen Trend sogar vorweggenommen hat. Die Wahl der Kunstkammer-Expertin Sabine Haag als KHM-Direktorin kann in einer Linie mit den gerade ernannten neuen Direktoren von Metropolitan und Guggenheim Museum gesehen werden: In Letzterem tritt der für seine Milde bekannte Kunsthistoriker Richard Armstrong die Nachfolge von Tom Krens, einst Paradebeispiel des egomanischen Manager-Direktors, an und will das „intellektuelle Gewicht“ des Museums und die hauseigenen Kuratoren stärken.

Ähnliche Ziele betont auch der neue Met-Chef Thomas P. Campbell. Wie Haag ist er eine Hausbestellung und vertritt ein wenig prominentes Fachgebiet, die Tapisserie. Diese Bestellungen deuten auf einen ziemlichen Umschwung im internationalen Museums-Business hin, weg von Expansion und aggressivem Marketing, hin zu Introspektion und intellektueller Aufrüstung. Wer hätte gedacht, dass dieser Trend gerade in Wien begonnen hat?


almuth.spiegler@diepresse.com


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