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Zeitungen: „Die Furche, das ist geistige Kraftnahrung“

30.05.2008 | 18:14 | ISABELLA WALLNÖFER (Die Presse)

Claus Reitan verlässt „Österreich“ und will die „Furche“ „thematisch breiter und aktueller“ machen.

Am Montag hat Claus Reitan den ersten Arbeitstag bei der „Furche“, auf der Homepage steht er schon – neben Stellvertreter Rudolf Mitlöhner – als neuer Chefredakteur. Der Kontrast könnte größer nicht sein – schließlich werkte Reitan bis Freitag noch auf Hochtouren für Wolfgang Fellners Boulevard-Zeitung „Österreich“, hat dort die Lehrredaktion und die Redaktionsorganisation mitaufgebaut. Ist nicht der Schwenk von Fellner zur „Furche“, der (geografische Katzen-)Sprung vom Karls- auf den Lobkowitzplatz, ein journalistisches 180-Grad-Wendemanöver? Reitan darauf im Gespräch mit der „Presse“: „Die verlegerische Positionierung der Tageszeitung ,Österreich‘ war und ist Sache des Herausgebers.“ Fellner gibt als Steuermann die Richtung vor.

Bei der „Furche“ (Styria Medien AG) ist das nun Reitans Auftrag. Wo man hin will? „Die grundlegende Richtung, die Blattlinie bleibt unverändert“, stellt er klar. Aber die Zeitung soll „thematisch breiter, aktueller“ werden. Und er werde das Ohr an Redaktion und Leserschaft legen, um denn auch optisch merkbare Änderungen einzuführen.

Gut 16.000 Stück verkaufte Auflage hat die Wochenzeitung derzeit, die 1945 erstmals erschienen ist. Auch hier soll sich etwas bewegen: Man wolle versuchen, „die Leserschaft in konzentrischen Kreisen auszuweiten“, sagt Reitan, die Käufer natürlich auch. Zielgruppe? „Der Mensch ist vernunftbegabt und gewissensgesteuert – alle, die das leben, sind im Focus.“ Dass es funktionieren kann, davon ist der gebürtige Tiroler (er war auch zehn Jahre Chefredakteur der „Tiroler Tageszeitung“) überzeugt: „Wenn man eine klare Positionierung hat und auf Qualität setzt, wenn man Orientierung, Hintergrund und Meinung anbietet, dann hat man Chancen.“ Auch als Wochentitel – wie etwa die „Zeit“ beweise, deren Auflage kontinuierlich angestiegen ist.


„Quality-Time“ für Qualitätsleser

In Zeiten immer knapper werdender Zeitressourcen erstaunlich? Eigentlich nicht, findet Reitan: „Für die Leser ist das Lesen von Qualitätszeitungen ,Quality-Time‘ – es bedeutet eine Entschleunigung, einen Ausbruch aus der Überfütterung. Die ,Furche‘, das ist geistige Kraftnahrung.“ Ein klassisches Beispiel sei das „Spiegel“-Cover dieser Woche (Untertitel „Das Geschäft mit der Sehnsucht nach dem Kind“): „Das ist natürlich ein ,Furche‘-Thema. Vieles, das uns im Alltag beschäftigt, hat eine tiefer liegende Ethik.“ Diese zu beleuchten, ein Thema „geistig zuzuspitzen“ und in einer „für den Leser bewältigbaren Form aufzubereiten“ sei nun sein Job, sagt Reitan.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2008)


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