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Quer durch Galerien

Auch Hunde begehen Fahrerflucht

Ein Brunnen wie eine Trockenblume. Kienzers

Ein Brunnen wie eine Trockenblume. Kienzers "Stylit".

Dies ist ein

Dies ist ein "Reck". Mit gesteigertem Mobile-Effekt. (Michael Kienzer hat die Stange mit Gummibändern im Raum befestigt.)

Wenn sich ein Trapez hinsetzt, blockiert es gleich zwei Sitzplätze. Ist es also insgeheim zu zweit? Quasi zu zweit allein? Streng kalkulierte Installation von Michael Kienzer. Wolfgang Woessner

Wenn sich ein Trapez hinsetzt, blockiert es gleich zwei Sitzplätze. Ist es also insgeheim zu zweit? Quasi zu zweit allein? Streng kalkulierte Installation von Michael Kienzer. Wolfgang Woessner

Von Claudia Aigner
Warum nimmt der Verkehr immer mehr zu? Weil wir ihn so oft mit Asphalt füttern und die Straßen immer mehr werden. Und Asphaltboden ist eben extrem fruchtbar. Das ist wie mit dem Nilschlamm und den Fröschen. Kaum ist’s gatschig, keimt das Quaken daraus hervor. Und kaum ist der Asphalt ausgebracht wie die Jauche auf dem Feld, quillt auch schon der erste Stoßverkehr heraus. Urzeugung sagt man dazu. Wenn Lebendiges spontan und elternlos aus der unbelebten Materie entsteht.

Diese "Generatio spontanea" scheint also doch kein Ammenmärchen zu sein. Aber ist das auch die Wirkungsweise des roten Teppichs, dieses Leitsystems für hochgestellte Fußgänger, für Ehrenpassanten? Muss man nur irgendwo so eine Luxusfußgängerzone verlegen und Augenblicke später schießt mindestens ein Staatsgast aus dem leblosen Bodenbelag heraus wie ein Schwammerl? Und hat sich der Michael Kienzer vielleicht gerade deshalb, also weil er an die Urzeugung glaubt, dereinst den roten Teppich der Stadt Graz ausgeborgt, zum weltentrückten Kunstwerk erklärt und im aufgerollten Zustand im Grazer Kulturhaus ausgestellt, quasi aus Gründen der Empfängnisverhütung, um Graz für die Dauer der Ausstellung immun gegen hohen Besuch zu machen? Denn: Wer Asphalt sät, wird Verkehr ernten und wer rote Teppiche ausrollt, muss danach viele Hände schütteln.

Doch obwohl Michael Kienzer fraglos auf Teppiche steht und auf schlichte, prägnante und meist irritierende Eingriffe im Raum und anderswo (und darauf, diesen stur geradeaus laufenden textilen Gehweg namens roter Teppich einfach die Wände hochkrabbeln zu lassen, wenn er einmal wo anstößt – ohne Rücksicht auf die schwerkraftgebundenen Fußgänger), hat er seltsamerweise noch nicht den "Roten Teppich mit Gegenverkehr" erfunden, nämlich mit einem Mittelstreifen, den er ja leicht mit einem Klebeband hätte ziehen können, einem seiner Lieblingswerkzeuge. (Der englische rote Teppich wäre dann übrigens einer mit Linksverkehr.)

Nicht zuletzt hat der Kienzer, dessen Klebeband eine größere Reichweite hat als eine Chamäleonzunge, die sich an eine Fliege heranmacht, einmal zwei Autos zu einer unauflöslichen Fahrgemeinschaft zusammengeschnürt, als die zwei Karosserien gerade wie zwei Schildkröten während der Paarungszeit aufeinander lagen. Gut, Autos benehmen sich ja wirklich wie die Hunde. Sie hinterlassen zuerst einen Dreck (Abgase) und begehen dann Fahrerflucht (was Hunde natürlich zu Fuß machen, Fahrerflucht begehen). Aber beschnüffeln und besteigen sie sich auch und Kienzer hat sie dabei in flagranti erwischt und dann zwar nicht ein Netz über sie geworfen wie Hephaistos über seine untreue Gattin Aphrodite und deren Liebhaber Ares, aber sie immerhin mit Klebebändern mumifiziert (für die voyeuristische Nachwelt)?

Apropos Verkehr. In den Wiener Straßenverkehr bringt er sich zurzeit auch ein, der Kienzer. An der Ecke Stubenring/Weiskirchnerstraße. Da setzt er ein Zeichen. Auf diskrete Weise spektakulär.

MAK-Blumentopfgalerie: Verkehrsschilder sind Pflanzen

Nein, "Blumentopfgalerie" heißt der Behälter für Kienzers Open-Air-Kunstwerk natürlich nicht offiziell, aber ich erlaube mir, das Ding, das bis 12. Juni vor dem MAK herumstehen wird, notzutaufen, diesen großen Blumentopf, aus dem ein Brunnenrohr wächst. Und am oberen Ende, sozusagen in der Höhe der Genickstarre: der Pumphahn eines Trinkbrunnens, der ja nichts anderes ist als ein optimierter Strohhalm, mit dem man am Grundwasser zutzelt.

Kienzer hat gewissermaßen einen Brunnen mitsamt der Wurzel (dem Rohr) ausgerissen und nach dem "Prinzip Trockenblume" verdursten lassen. Aber da diese Senkrechte wie alle Vertikalen in der Stadt (die Baum-Attrappen mit Namen "Laternenpfahl" oder die Verkehrsschilder, die hartnäckig sind wie der Löwenzahn) eh mit einem Hundepissoir verwechselt wird, ist der enthaltsame Brunnen wenigstens nicht ganz von der Wasserversorgung abgeschnitten.

Noch dazu heißt er provokant "Stylit". Wie die Säulenheiligen (böse gesprochen: die frühchristlichen Blitzableiter), die Asketen, die auf der "Achse der Transzendenz" einen Stock höher wohnten, sprich: auf Säulen lebten und starben.

Kienzer ist ein stiller Meister darin, sich die Gebrauchsanweisung von den Gebrauchsgegenständen nicht durchzulesen und ihr sogar vorsätzlich zuwiderzuhandeln. Und Verstörung, Ironie und manchmal sogar Erkenntnis zu erzeugen.

Galerie Hohenlohe & Kalb: Wie rülpst ein Rucksack?

Einen Rucksack, diesen tragbaren Stauraum, diese externe Körperhöhle, weil der Mensch so wenig eigenes Fassungsvermögen hat, packt der Kienzer nicht mit lebensnahen, alltagstauglichen Dingen voll (wie bis zum 25. Mai bei Hohenlohe & Kalb, Bäckerstraße 3), bei ihm wuchert ein "unbrauchbares" Drahtknäuel heraus, übergibt sich in den Raum. Ein Rülpsen würde man eventuell so darstellen, in der abstrakten Kunst. Nein, eher eine Kolik.

Seine Spezialität sind aber Maßanfertigungen, sehr kalkulierte, intensiv minimalistische Installationen. "Reck" (jene Stange, die um einen Felgaufschwung bettelt): Ein Alurohr schwebt als Waagrechte in der Luft und wird bloß mit Gummibändern exakt im Raum verspannt. Beim Turnen dürfte der "Mobile-Effekt" auftreten wie beim Bungee-Jumping (dem Höllensturz-Simulator). Nur fällt man nicht so tief, dafür aber endgültig. Ich erwäge, ein Kienzer-Fan zu werden. Wegen seinem geistreich "banalen", ausgeklügelt formellen, distanzierten Umgang mit der Welt. Und wegen seinem strengen Humor.

Galerie Sur: Die Materie muss gezüchtigt werden!

Robert Gundolfs Türme haben zwar irdischere Ausmaße als der babylonische Turm, wo es der Architekt sträflich unterlassen hat, irgendwann (vielleicht nach dem 150. Stockwerk) die baupolizeilich vorgeschriebene Höhenangst zu kriegen, aber in der Galerie Sur (Seilerstätte 7, bis 14. Mai) sind sie wohl ebenso präsent wie der Turm es in der Stadt Babel gewesen wäre, wäre er fertig gebaut worden. Der Ton knetet sich genießerisch hoch, bevor der Robert ihm brachiale "Fleischwunden" schlägt.

Peter Mahler begrapscht sein Material auch, schmeißt zuerst den Pinsel weg (den Abstandhalter zwischen Maler und Farbe) und hinterlässt mit den Fingern sensible, dichte Spuren. Dann beginnt er mit der Züchtigung und hat etwas von einem barocken Gartenfriseur, der die Büsche diszipliniert. Mit totaler Geometrie. Die Harmonie der technisch ja beeindruckenden Malereien grenzt da mitunter ans Unerträgliche (und wenn einem Embleme und Zeichen, etwa ein vielarmiger Leuchter, plakativ philosophisch ins Auge gerammt werden). Aber ich bin zuversichtlich, dass sein Nachwuchs bald laufen lernt und ihn dann im Atelier dezent anrempelt und dass dabei die gnadenlose Symmetrie in den Bildern ein bissl verrutscht.

Freitag, 06. Mai 2005

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