Berühmt für seine rege Kunstszene ist Bratislava nicht gerade. Nicht
einmal im nahen Wien - wer kann schon aus der in den letzten Jahren so
herablassend wie unermüdlich gezeigten "Ost-Kunst" einen slowakischen
Künstler nennen? Wer fährt über die Grenze zu einer Vernissage? Der Weg
ist nicht weiter als nach St. Pölten! Ob solch scheinbarer Ignoranz
könnte man sich jetzt selbstgerecht echauffieren, nur enttarnt man sich
dabei selbst. Denn in Bratislava blüht eben keine völlig unterschätzte
Kunstszene, die Galerien für aktuelle Kunst in der 450.000-Einwohner-Stadt
- fast doppelt so groß wie Graz - sind an einer Hand abzuzählen. Dadurch
ist auch der Markt relativ uninteressant und die Bevölkerung wenig
geschult. Die Slowakische Nationalgalerie sticht auch nicht durch
innovativstes Programm heraus - bis Sonntag läuft immerhin ein Überblick
über slowakische bildende Kunst von den siebziger Jahren bis 1985, also
noch vor der Wende. Danach zeigt man Studien und Skizzen aus dem 18. und
19. Jahrhundert. Unfair ist das? Da sieht man wieder einmal die
Vorurteile? Sicher. Denn natürlich gibt es sie, die jungen Künstler mit
internationalem Anspruch. Aber leicht wird es dem Aussenstehenden nicht
gemacht, sie zu entdecken.
Umso mehr ist dieses Vergrößerungsglas zu schätzen, das
vom Wiener Künstlerhaus auf unsere bald fast zwillingshaft nahe
EU-Hauptstadt gerichtet wird. Ein Vergrößerungsglas mit strengem
Qualitäts-Filter. Dafür sorgten die beiden Kuratoren von "Stadt in Sicht.
Neue Kunst aus Bratislava" 19 Künstler - davon immerhin sieben Frauen -
suchten sie aus, alle zwischen 1963 und 1977 geboren, alle erst nach der
Selbstständigkeit der Slowakei 1993 künstlerisch tätig geworden, was
einerseits international vergleichbar, andererseits auch verwechselbarer
macht.
Interessant ist, dass die Ausstellung im Obergeschoß des
Künstlerhauses den Anschein erweckt, dass die Malerei, die in den letzten
Jahren ja wieder einmal boomt, in der Slowakei eher ruht. Unter den fast
durchgehend heuer entstandenen Arbeiten dominieren Fotos, Videos, Objekte
- und ein leichtes Augenzwinkern, ein ironischer Unterton. Etwa bei Erik
Binders "Electro-Installation", in der einem zwei schwebende Stromkabel
entgegentänzeln, als wären sie beschworene oder beschwipste Schlangen.
Köstlich, gleichzeitig eine nette Referenz an Wien ist das Aktions-Video
von Aneta Mona Chisa, eine Umkehrung von Valie Exports "Tapp- und
Tast-Kino" (1968): Ein Mann mit vor den Bauch geschnallter Box bittet zum
Eingriff - Gleichberechtigung für Männer! Da gibt es schließlich auch
einiges zu begreifen.
Ebenfalls um die Rolle der Frau dreht sich die
Schürzen-Installation "House Work" von Gabika Binderova, die auch vor
schwarzen Fetisch-Lederschürzen und Hausfrauen-Hexen auf Besen nicht
zurückschreckt. Lucia Nimcova hat sich in einer Fotoserie auf der Suche
nach Frauen des neuen Jahrtausends in Bratislava gemacht - man muss
feststellen, Lockenwickler, Bügeleisen sind geblieben, nur ein Hang zum
Exhibitionismus ist auffällig. Bei den Fotoarbeiten stechen Martin Kollars
Aufnahmen heraus - Alltagsszenen, die immer skurriler werden, je mehr man
sich auf sie einlässt. Etwa der von der Strasse in einen paradiesischen
Garten gestürzte Lastwagen. Sicher nicht unschuldig: der
leidenschaftlich-zärtliche Schneewittchen-Kuss für eine Lenin-Büste von
Magda Tothova. Und schlussendlich doch noch Malerei, verpackt in eine
Installation: Dorota Sadovska porträtierte in Wien, Brüssel, Los Angeles
und Bratislava Frauen, die zum Himmel schauen - den Kopf recken muss auch
der Betrachter.
Dass diese gelungene Umarmung der benachbarten jungen
Kunst keine flüchtige bleibt, dafür soll ein reiches Rahmenprogramm
sorgen, das vielleicht nachhaltigere Auswirkungen hat als eine
Ausstellung.
Bis 27. Juli. Täglich 10-18 Uhr.
© Die Presse |
Wien