diepresse.com
zurück | drucken
03.05.2003 - Ausstellung
Ausstellung: 19 junge Künstler aus der Slowakei präsentieren sich
Neue Kunst aus Bratislava räumt im Künstlerhaus mit Klischees auf - und bestätigt gleichzeitig andere.
VON ALMUTH SPIEGLER


Berühmt für seine rege Kunstszene ist Bratislava nicht gerade. Nicht einmal im nahen Wien - wer kann schon aus der in den letzten Jahren so herablassend wie unermüdlich gezeigten "Ost-Kunst" einen slowakischen Künstler nennen? Wer fährt über die Grenze zu einer Vernissage? Der Weg ist nicht weiter als nach St. Pölten! Ob solch scheinbarer Ignoranz könnte man sich jetzt selbstgerecht echauffieren, nur enttarnt man sich dabei selbst. Denn in Bratislava blüht eben keine völlig unterschätzte Kunstszene, die Galerien für aktuelle Kunst in der 450.000-Einwohner-Stadt - fast doppelt so groß wie Graz - sind an einer Hand abzuzählen. Dadurch ist auch der Markt relativ uninteressant und die Bevölkerung wenig geschult. Die Slowakische Nationalgalerie sticht auch nicht durch innovativstes Programm heraus - bis Sonntag läuft immerhin ein Überblick über slowakische bildende Kunst von den siebziger Jahren bis 1985, also noch vor der Wende. Danach zeigt man Studien und Skizzen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Unfair ist das? Da sieht man wieder einmal die Vorurteile? Sicher. Denn natürlich gibt es sie, die jungen Künstler mit internationalem Anspruch. Aber leicht wird es dem Aussenstehenden nicht gemacht, sie zu entdecken.

Umso mehr ist dieses Vergrößerungsglas zu schätzen, das vom Wiener Künstlerhaus auf unsere bald fast zwillingshaft nahe EU-Hauptstadt gerichtet wird. Ein Vergrößerungsglas mit strengem Qualitäts-Filter. Dafür sorgten die beiden Kuratoren von "Stadt in Sicht. Neue Kunst aus Bratislava" 19 Künstler - davon immerhin sieben Frauen - suchten sie aus, alle zwischen 1963 und 1977 geboren, alle erst nach der Selbstständigkeit der Slowakei 1993 künstlerisch tätig geworden, was einerseits international vergleichbar, andererseits auch verwechselbarer macht.

Interessant ist, dass die Ausstellung im Obergeschoß des Künstlerhauses den Anschein erweckt, dass die Malerei, die in den letzten Jahren ja wieder einmal boomt, in der Slowakei eher ruht. Unter den fast durchgehend heuer entstandenen Arbeiten dominieren Fotos, Videos, Objekte - und ein leichtes Augenzwinkern, ein ironischer Unterton. Etwa bei Erik Binders "Electro-Installation", in der einem zwei schwebende Stromkabel entgegentänzeln, als wären sie beschworene oder beschwipste Schlangen. Köstlich, gleichzeitig eine nette Referenz an Wien ist das Aktions-Video von Aneta Mona Chisa, eine Umkehrung von Valie Exports "Tapp- und Tast-Kino" (1968): Ein Mann mit vor den Bauch geschnallter Box bittet zum Eingriff - Gleichberechtigung für Männer! Da gibt es schließlich auch einiges zu begreifen.

Ebenfalls um die Rolle der Frau dreht sich die Schürzen-Installation "House Work" von Gabika Binderova, die auch vor schwarzen Fetisch-Lederschürzen und Hausfrauen-Hexen auf Besen nicht zurückschreckt. Lucia Nimcova hat sich in einer Fotoserie auf der Suche nach Frauen des neuen Jahrtausends in Bratislava gemacht - man muss feststellen, Lockenwickler, Bügeleisen sind geblieben, nur ein Hang zum Exhibitionismus ist auffällig. Bei den Fotoarbeiten stechen Martin Kollars Aufnahmen heraus - Alltagsszenen, die immer skurriler werden, je mehr man sich auf sie einlässt. Etwa der von der Strasse in einen paradiesischen Garten gestürzte Lastwagen. Sicher nicht unschuldig: der leidenschaftlich-zärtliche Schneewittchen-Kuss für eine Lenin-Büste von Magda Tothova. Und schlussendlich doch noch Malerei, verpackt in eine Installation: Dorota Sadovska porträtierte in Wien, Brüssel, Los Angeles und Bratislava Frauen, die zum Himmel schauen - den Kopf recken muss auch der Betrachter.

Dass diese gelungene Umarmung der benachbarten jungen Kunst keine flüchtige bleibt, dafür soll ein reiches Rahmenprogramm sorgen, das vielleicht nachhaltigere Auswirkungen hat als eine Ausstellung.

Bis 27. Juli. Täglich 10-18 Uhr.



© Die Presse | Wien