15.12.2002 21:51
"Geile" Installationen: Graz macht mobil
Künstlerische Interventionen an der Autobahn machen es unmöglich die
Kulturhauptstadt zu übersehen
Graz zu passieren und die Kulturhauptstadt nicht
wahrzunehmen wird 2003 kaum möglich sein: Künstlerische Interventionen
überraschen an allen Autobahneinfahrten. Schon jetzt winken Hunderte Arme: je
schneller man fährt, desto heftiger.
Graz - Die Kulturhauptstadt, die Graz ab dem 9. Jänner sein wird, ist
sichtbar geworden: Das Stahlgerüst der Murinsel liegt wie ein plumpes Plopp im
Wasser. Und am Eisernen Tor steht bereits der Marienlift von Richard Kriesche,
der dem Fahrgast ermöglicht, sich auf eine Ebene mit der Pestsäulenmadonna zu
stellen.
Bei der Pressekonferenz am Samstag zum Thema Verkehr wurde die
Aufstiegshilfe aber nur am Rande erwähnt. Denn die Mutter Gottes in Verbindung
mit Verkehr? Da würde gleich wieder "Blasphemie!" geschrien werden, so Intendant
Wolfgang Lorenz. Ge- nügend Stoff gab es auch ohne diesen phallischen, für
Erregung sorgenden Marienlift. Schließlich wird der Besucher mit imposanten
Objekten konfrontiert werden, egal wie und von wo er sich Graz
nähert.
Fertig gestellt ist der Flughafen: Flora Neuwirth beklebte die
Glasfront mit farbigen Kurven. Und gedruckt sind die gewaltigen 2355
Quadratmeter biomorphe Formen auf rotem Grund von Peter Kogler. Ausgekleidet
wird die Bahnhofshalle mit den Plastikplanen bis Silvester.
Kein Gehör
gefunden hatte Nikolaus Breisach, Leiter des Grazer Congress, mit seiner
Anregung, die Kulturhauptstadt auf den Autobahnen durch vier Künstler
thematisieren zu lassen. Aber so etwas Ähnliches passiert dennoch:
Architektenteams entwarfen für die Abfahrten "geile" (so die Vorgabe von Lorenz)
Installationen. Wer von Klagenfurt kommt, dem winken schon jetzt 237 Arme, von
Peter Reitmayr und Wolfgang Haas nach dem Prinzip des Wackeldackels montiert,
zu.
Noch vor Weihnachten soll man im Osten auf drei riesige Neonlogos der
Gruppe L.O.V.E. und im Norden auf eine computergenerierte Fotoserie des Büros
Pentaplan stoßen: Das Porträt des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt verwandelt
sich in jenes von Ivica Osim. Pech bloß, dass Osim nicht mehr Sturm-Trainer ist.
Und für die Südeinfahrt entwarf die Gruppe ortlos architects zwei monströse
Fieberglasskulpturen, die von innen leuchten: The Thing (30 Meter hoch) wird ab
20. Dezember zu bestaunen sein, The Wing (60 Meter lang) ab März.
Selbst
Verkehrsmittel stehen im Zeichen von 2003: Eva Schlegel, Erwin Wurm, Heimo
Zobernig u. a. überziehen Waggons der Graz-Köflach-Bahn mit Folien, in der Stadt
werden von Fedo Ertl gestaltete Kunsttaxis herumkurven, in denen die Gruppe
Intro-Graz-Spection Video-Dokus zeigt.
Das kürzlich veröffentlichte
Programmbuch - laut Lorenz ein "Ziegel" (1,3 Kilogramm) - ist in Buchhandlungen,
Trafiken oder direkt bei Graz 2003 um 20 Euro erhältlich. (DER STANDARD,
Printausgabe, 16.12.2002)