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Bawag Foundation: Viel zu viel Simulation

14.07.2010 | 19:17 | SABINE B. VOGEL (Die Presse)

Wie sehen Räume aus, die vorgeben, etwas anderes zu sein? Dieser Frage nähert sich Sonia Leimer in ihrer ersten Einzelausstellung.

Kieselsteine, Schutt, Marmor und Beton – all diese Materialien sind schachbrettartig in kleine Vertiefungen sortiert. Ob hier eine Alternative für den Estrich in den neuen Räumen der Bawag Foundation getestet wird? Weit gefehlt. Es handle sich um „pits“, erklärt Künstlerin Sonia Leimer, jene Elemente, über die Akteure in Tonstudios gehen, um für die Nachvertonung von Filmen einen möglichst originalgetreuen Sound zu erzeugen. „Simulierte Räume, die vorgeben, etwas anderes zu sein“, nennt sie die kleinen Materialgruben.

Täuschungen sind in ihrer Ausstellung „Neither in motion nor at rest“ ein immer wiederkehrendes Thema. In einem Video sehen wir eine wüstenähnliche Landschaft. Es ist ORF-Archivmaterial. Ein Kamerateam dokumentierte hier jenen Ort im US-amerikanischen Utah, an dem zahlreiche Science-Fiction-Filme gedreht und Mars-Expeditionen trainiert wurden. Daneben glitzern ihre Siebdrucke, die auf „Kevlar“, einem mit Aluminium beschichteten Stoff für Raumfahrtanzüge, gedruckt sind. Zu erkennen ist darauf nichts. Es seien unscharfe Aufnahmen gewesen, die wieder in irgendeinem thematischen Zusammenhang mit dem Mars stehen.

 

Werk vom Konzept unberührt

In dieser Art geht es weiter mit jedem Werk in der Ausstellung: Ob die beschaulichen Videos oder die minimalistischen Skulpturen, alles ist mit Bezügen überfrachtet. Nicht, dass Kunst unbedingt selbsterklärend sein soll. Aber wenn Konzept und Werk derart unberührt nebeneinanderlaufen wie in dieser Ausstellung, wenn die (Video-)Bilder nur als Verweis auf eine kuriose Tatsache oder filmische Produktionsbedingungen dienen, dann fragt man sich langsam, ob wir es hier nicht mit viel zu viel Simulation zu tun haben. Denn eigentlich ist eine der enormen Qualitäten von Kunst ja, gerade nicht als Verweis zu dienen, sondern mit sich selbst identisch zu sein.

Eine umgekehrte Annäherung an die Simulation sucht Leimer im Untergeschoß der Bawag. In einem staatlichen Lager bei Washington liegt Richard Serras „Tilted Arch“, jene Stahlskulptur, die 1981 prominent in New York den Federal Plaza durchschnitt und 1989 trotz massiven Widerstands entfernt wurde. Auf die traurige Anhäufung ihrer Einzelteile, nach Material und Größe sortiert, hat sich das Sockelschild eines kaum bekannten Künstlers verirrt.

 

Täuschung und Enttäuschung

Leimer fragte ihn nach seinem Werk, die Antwort präsentiert die Künstlerin neben dem Video des Lagers. Hier kombiniert Leimer ihr Interesse an Täuschungen mit Enttäuschung und lässt jenen vagen Raum zwischen Bewegung und Ruhepause entstehen, der im Ausstellungstitel angesprochen ist.

Aber diese Vagheit soll es dann wohl doch nicht sein, denn dem Video ist noch eine lange, gekrümmte Wand hinzugefügt. Deren formale Nähe zu Serras Skulptur verwandelt das Dazwischen, das kurz entstand, wieder in jenen „simulierten Raum“, der schon in den „pits“ visuell und intellektuell irritiert. Simulierte Räume, das erleben wir hier allzu deutlich, bewegen nicht.


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