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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
29. Oktober 2007
14:29 MEZ
Antje Senarclens de Grancy: "Keine Würfelwelt - Architekturpositionen einer bodenständigen Moderne, Graz 1918 - 1938", HDA Verlag Graz, 254 Seiten, 227 Abbildungen 
Grazer Bauten der Zwischenkriegszeit: "Keine Würfelwelt"
Kunsthistorikerin beleuchtete in neuem Buch spezielle Ausprägung einer "bodenständigen Moderne" in Graz

Graz - Die Architektur der Zwischenkriegszeit ist österreichweit eine moderat moderne gewesen. Die speziellen Grazer Architekturpositionen - die bis auf wenige Ausnahmen das "allzu Moderne" in ganz eigener Weise bekämpft und eine enge Bindung an "Heimat und Boden, Nation und Volk" propagiert haben - stehen im Zentrum des neu erschienenen Buches "Keine Würfelwelt" der Grazer Kunsthistorikerin Antje Senarclens de Grancy.

Die in den 1920er Jahren aufgekommene neue funktionalistische und minimalistische Architektursprache des so genannten "Internationalen Stils" wurde in der Steiermark mit Argwohn beobachtet: In einer Flugschrift des "Steiermärkischen Werkbundes" wurde 1932 die "unter ganz bestimmten geistigen und materiellen Voraussetzungen entstandene 'Würfelwelt' " beanstandet. "Gemeint war die damals aktuelle, politisch links verortete Architektur in der Art der Stuttgarter Weißenhofsiedlung", so de Grancy. In Graz wurde diese Strömung des neuen Bauens mit Schaudern und offenbar als kalt und seelenlos wahrgenommen.

Als Antwort darauf wurde im nationalistisch-völkischen Umfeld der 1920er- und 1930er Jahre in Graz aus der Abwehr der "seelenlosen Wohnmaschine" das Modell einer im Steirischen und Alpin-Traditionellen verankerten "bodenständigen Moderne" entwickelt. Dennoch entstand in der steirischen Landeshauptstadt auch eine ganze Reihe von Bauten auf hohem Niveau.

"Im Graz der Nachkriegszeit bestand jahrzehntelang kaum öffentliches Interesse an der progressiveren Architektur der Zwischenkriegszeit. Viele Bauten waren inzwischen aus dem Stadtbild verschwunden, etwa Eugen Szekelys durch Bombentreffer zerstörtes Arbeitsamt, wie auch die wenigen 'Würfel' von Herbert Eichholzer, die trotz aller Widerstände in der Zwischenkriegszeit entstanden waren", schilderte die Autorin. Auch auch diese Bauten verschwanden ab den 1940er bzw. den 1960er- und 70er Jahren unter Steildächern und hinter rustikalen Holzverschalungen - oder wurden abgerissen.

"Mindestens genauso interessant wie die Frage, was an Ideen aufgenommen und verarbeitet wurde, ist die Frage, was und warum etwas gerade nicht rezipiert, sondern vielmehr ignoriert, abgelehnt und bekämpft wurde. Wie kam es dazu, dass in Graz eben 'keine Würfelwelt' entstanden ist", so de Grancy. Auf den rund 250 reich bebilderten Seiten werden nicht nur die Arbeit der Grazer Architekten der Zwischenkriegszeit selbst beleuchtet, sondern auch die Aktivitäten der Vereinigungen, Interessensvertretungen, also der verschiedenen Akteure im weiteren Feld der Architektur. (APA)


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