Salzburger Nachrichten am 20. Oktober 2004 - Bereich: kultur
Die Kunst im Comic

Neues Buch und Ausstellung des berühmtesten Scheidungskindes aus Lüneburg: "Auf der Uni gibt’s Gratis-Rettich" des Zeichners Tex Rubinowitz.

MARTIN BEHRGRAZ (SN). Ehrlich ist er. "Ja, ich hänge mich an den Elfriede-Jelinek-Zug an", sagt Tex Rubinowitz, der aus Lüneburg stammende Zeichner, der vor fast zwei Jahrzehnten nach Wien gekommen ist, um hier Malerei zu studieren. Dieses Unterfangen ist zwar bereits nach einer Woche gescheitert, in Galerien darf er mittlerweile aber dennoch ausstellen. Ab morgen, Donnerstag, zum Beispiel in der Wiener Galerie Christine König. Ebendort präsentiert er Originalzeichnungen aus seinem neuen Buch "Auf der Uni gibts Gratis-Rettich" sowie eine auf Holz gemalte Ölbild-Serie, die die österreichische Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek nackt zeigt. "Stilvoll, nicht so schmierig, wie die Darstellungen des Pop-Art-Künstlers Mel Ramos", sagt Rubinowitz.

"Auf der Uni gibts Gratis-Rettich" ist auch als Buch (Falter Verlag) erschienen und beinhaltet 158 Zeichnungen von Tex Rubinowitz sowie ein Nachwort von Benjamin Schiffner. In diesem wird der große Sohn Lüneburgs als "österreichisches Witzgenie" tituliert. Andere Beschreibungen fallen weniger freundlich aus: "Er kann überhaupt nichts richtig, er kann nicht richtig zeichnen, er kann nicht richtig schreiben und er kann nicht richtig denken. Aber er hat ein großes Herz und die Seele eines Kindes, vielleicht sogar eines Scheidungskindes."

Tatsache ist, dass der Wahlwiener mit Kuli und Papier richtige Charaktere erschaffen hat: Wilbur, den Schneemann etwa, Manfred, die Ente, Herr Roback oder den kleinen Tobias.

Das Buch ist eine Art "Best of Rubinowitz" und die Ausstellung eine "Best of"-Auswahl aus dem Buch. Was überrascht, ist die Farbe. "Viele Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind remixed, also nachträglich auf Karton handkoloriert", erklärt Tex Rubinowitz im SN-Gespräch. Warum der Cartoonist von Blättern wie "Die Zeit", "Titanic" oder "Falter" dies getan hat? "Weil es wertvoller aussieht und die Figuren irgendwie haptischer und knuspriger aussehen", erklärt Rubinowitz, von dem der oben erwähnte Laudator Schiffner behauptet: "Es wird alles Rubinowitz, was er anfasst." Recht hat er, der Schiffner. Auch wenn das Sprechblasen-Innere seiner Strichfiguren bisweilen eine innere Verwandtschaft zu Helge Schneider besitzt: "Mit Klopapier winkt man seiner Mutter nicht zum Abschied, wenn sie eine Knäckebrothandlung betritt."

Skurriler Humor, tolldreiste Pointen, absurde Szenen: Auf 96 Seiten breitet sich der Rubinowitz’sche Humor aus, führt ein in die Lebenswelten überraschter Möwen, in die Jugendtage eines in Braunau gebürtigen Diktators ("Wo ist därr Brrei?"), in den Alltag einer Rotznase, die eine als Geschenk gedachte Gurke entkrustet haben will oder in das nur vordergründig farbenfrohe Leben von Agnes, der "Erfinderin der Menschheit".

Kunst oder Comic, das ist hier die Frage. Die Antwort gibt der Meister selbst: "Das ist Gebrauchsgrafik, ich mache Dienstleistungen."