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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
07.04.2004
12:11 MEZ
Von
Thomas Trenkler
 
Foto: Joanneum/Lackner
Im neuen Gebäude des Joanneums (auch schon 109 Jahre alt) in der Grazer Neutorgasse führte die Alte Galerie ein recht beschauliches Leben. ...

Foto: Joanneum/Lackner
... Jetzt soll sie ins Schloss Eggenberg verlegt werden. Und das sorgt für ordentlich Zwist.

Tummelplatz der Intrigen: das Grazer Joanneum
Peter Pakesch und Wolfgang Muchitsch, die Chefs des Landesmuseums, planen tief greifende Veränderungen, was nicht jeder Mitarbeiter akzeptiert

Das hat Folgen: Gottfried Biedermann, degradiert und delogiert, darf nun die Sammlung Graus bearbeiten. Ein Sittenbild.


Graz - Am Anfang war das Wort Koffer. Im Sinn von Dummkopf. Und als einen solchen Koffer bezeichnete Gottfried Biedermann, seit 1988 Leiter der Alten Galerie am steirischen Landesmuseum Joanneum, seine Chefs, also Peter Pakesch, den Intendanten, und Wolfgang Muchitsch, den für Wissenschaft wie Infrastruktur zuständigen Direktor. Und zwar in einer SMS, die Biedermann, an sich ein solcher, aber mitunter auch ein Hitzkopf, samt Nummernkennung an jene sandte.

Biedermann, gewählter Betriebsrat, ist nun nicht mehr Leiter der Alten Galerie. Vorläufig jedenfalls: Gegen die Absetzung legte er Berufung ein. Und er ist auch nicht mehr in der Alten Galerie tätig: Er darf im Bild- und Tonarchiv ein Fotoarchiv bearbeiten. Es handle sich, sagt Pakesch, aber nicht um eine Versetzung, sondern eine Dienstzuteilung. Das zu sortierende Archiv heißt übrigens nach seinem Sammler: Graus.

Nicht das Wort Koffer sei entscheidend gewesen, sagt Pakesch, aber er erwarte von den Mitarbeitern eine gewisse Loyalität, und diese hätte Biedermann den neuen Chefs nicht entgegengebracht, ganz im Gegenteil, er hätte beispielsweise bei der Frau Landeshauptfrau, Schirmherrin des Joanneums, interveniert.

Man muss allerdings wissen, dass es sich beim Joanneum um ein Universalmuseum mit allerlei Abteilungen (darunter Volkskunde, Jagd, Geologie, Römerfunde, Münzen, Urgeschichte, Ritterrüstungen, Mineralogie, Botanik, Landwirtschaft) und daher auch divergierenden Interessen handelt. Die Minivariante aller Bundesmuseen unter einer Führung ist folglich ein Tummelplatz der Intrigen.

Biedermanns Kampf

Biedermanns Interventionen hatten zudem einen bestimmten Grund: den Fortbestand der renommierten Alten Galerie in der bisherigen Größe zu sichern. Denn die beiden Chefs hätten ihn, so seine Darstellung, unter Druck gesetzt, ihrem Plan einer Umsiedelung der Alten Galerie an die Peripherie zuzustimmen. Was er nach einigem Zögern nicht konnte. Und so rief Biedermann Experten an, unter anderem Götz Pochat, den Vorstand des Kunstgeschichteinstituts an der Uni Graz, um das Vorhaben zu vereiteln.

Credo: Der bisherige Standort in der Neutorgasse sei einst eigens für die Sammlung aufgestockt worden, und Dieter Bogner hätte diesen in seinem Museumskonzept von 1997 sehr wohl respektiert. Der nun ins Auge gefasste aber, das Schloss Eggenberg, sei nicht nur abseits vom Schuss, sondern auch ungeeignet, da es keine Depots gebe und ein Teil der Exponate angesichts der niedrigen Raumhöhe nicht aufgestellt werden könne.

Pakesch hält dagegen, dass lediglich ein Altar zu hoch sei. Und die Neuaufstellung könne der Sammlung nur gut tun: Die Besucherzahlen in der Neutorgasse sind erbärmlich. Worauf Biedermann kontert, dass er nie ein Budget erhalten habe, um die exzellente Sammlung zu vermarkten, beziehungsweise die Chance, Sonderausstellungen zu organisieren. Zudem würde nicht nur der Dietmannsdorfer Altar aus 1520 ins Depot wandern müssen, sondern auch "der halbe Barock". Wenn nicht gar noch mehr, weil die Räume in Eggenberg viel kleiner seien.

Worauf Bogner, für Pakesch tätig, diesem zur Seite sprang: Er bezeichnete den Solitär in der Neutorgasse als "nichts sagenden (schlechten) Museumsbau" und mokierte sich über die Kunsthistorikerlobby samt der Nur-nichts-verändern-Haltung. Was der Architekt Volker Giencke nicht so stehen lassen konnte: Der Bau lasse sehr wohl eine elegante Unterbringung der Alten Galerie lediglich im zweiten Stock zu - und die Adaptierungskosten würden nur einen Bruchteil der Aufwendungen für Eggenberg ausmachen.

Der Hintergrund aber ist ein anderer. Ein ziemlich verblüffender: Pakesch und Muchitsch betonen unisono, dass sie erstens zu viele Ausstellungsflächen hätten und zweitens nicht das Budget, diese zu bespielen. Denn es stünden rund 2000 Quadratmeter in der Neutorgasse zur Verfügung, deren 1600 in der Neuen Galerie, 1200 in Eggenberg und 2000 im Kunsthaus.

Indirekt gestehen Pakesch und Muchitsch daher ein, dass die Begründung für den Bau des exorbitant teuren Kunsthauses, nämlich die in Graz fehlenden Ausstellungsflächen, kaum den Tatsachen entsprochen hat. Aber nicht das von Pakesch bespielte Kunsthaus mit dem Direktionsbüro am Dach steht zur Diskussion: "Wir müssen etwas Sinnvolles mit Eggenberg anfangen", sagt er.

Steinles Platznot

Was Christa Steinle, die Leiterin der Neuen Galerie, ganz und gar nicht verstehen kann. Denn in Eggenberg würde sie liebend gerne wieder, wie bereits vor zwei Jahren, die Sammlung des 19. Jahrhunderts dauerhaft präsentieren, da für diese kein Platz in der Neuen Galerie ist. Die Raumnot sei, weil das Sanierungsprogramm gestoppt wurde, eine derart große, dass für umfangreichere Ausstellungen (wie die Brus-Retrospektive) auch die Schausammlung des 20. Jahrhunderts eingemottet werden muss.

Der Hintergrund des Hintergrunds ist daher ein anderer: das Palais Attems, in dem nicht nur die styriarte, der steirische herbst und die manuskripte (skurrilerweise in unmittelbarer Nachbarschaft zu Burschenschaftlern) untergebracht sind, sondern auch das Bild- und Tonarchiv des Joanneums. Aufgrund eines Generalmietvertrags mit dem Land als Eigentümer ist just das Museum für dieses Palais zuständig. Und weil dieses der dringenden Sanierung harrt, bezeichnet Peter Pakesch es als Damoklesschwert.

Pakeschs Rückzug

Logischerweise will er es nicht auf sich fallen lassen - und daher das Attems räumen, um die arg ramponierte Immobilie dem Land zurückgeben zu können. Allerdings braucht er anderswo Platz für das Bild- und Tonarchiv. Und so soll dieses eben in die Räumlichkeiten der Alten Galerie einziehen. Der in Ungnade gefallene Biedermann würde somit samt der Sammlung Johann Graus an die Stätte seines einstigen Wirkens zurückkehren. Vorausgesetzt, dass die Alte Galerie wirklich nach Eggenberg abwandert. Und vorausgesetzt, dass Biedermanns Absetzung, pardon: Dienstzuweisung tatsächlich rechtens war. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.4.2004)


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