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KHM: Exotika aus der Wunderkammer

13.07.2010 | 18:29 | SABINE B. VOGEL (Die Presse)

Seit acht Jahren ist die berühmte Kunstkammer-Sammlung nicht mehr zu sehen. Jetzt verriet Sabine Haag erste Details über die Neuaufstellung, die 2012 eröffnen soll.

Noch stehen die alten Heizkörper herum, ist der Fußboden aufgerissen und werden mögliche Bodenbeläge testweise verlegt. Seit acht Jahren ist dieser Trakt des Kunsthistorischen Museums, kurz KHM, geschlossen. Vorher konnte hier die weltberühmte Kunstkammer bewundert werden, jenes Universum kurioser, exotischer und vor allem kostbarer Objekte, die die Habsburger über Jahrhunderte angesammelt haben: wissenschaftliche Instrumente und seltene Juwelen, Bronzebüsten, Steingefäße und Elfenbeinwerke. 8000 Objekte umfasst die Sammlung, die in ihrer Zeit als Mikrokosmos der Welt galt: Ob der Straußenei-Pokal des Clemens Kicklinger, der Nautiluspokal oder der Bernsteinhumpen, die Uhren oder die weltberühmte Saliera von Benvenuto Cellini – in diesen Werken bestaunten die Menschen das Wissen und die Möglichkeiten der Welt.

Ende des 19.Jahrhunderts veränderte sich dann die Sammlung, denn der Hang zur Systematisierung erzwang die Ausgliederungen einiger Objekte – wie die des ausgestopften Krokodils oder der präparierten Fische in das Naturhistorische Museum. Seit 2002 gänzlich geschlossen, wird seit 2006 eine völlig neue Aufstellung erarbeitet. Nicht nur genügten die Vitrinen und die Klimatechnik nicht mehr den sicherheitstechnischen Anforderungen. Auch sollen neueste wissenschaftliche Forschungen einfließen, betont Generaldirektorin Sabine Haag.

 

Saliera wieder ausgestellt

So wird es einen Extraraum nur für die Exotika, Kunstgegenstände aus fernen Ländern, geben, die sonst in keiner einzigen Kunstkammer zu finden sind. Vor allem aber sollen die Besonderheiten der einzelnen Werke herausgestrichen und die Umstände ihrer Anschaffung thematisiert werden – das reicht von Aspekten wie Kriege und Kolonialisierung bis zu den darin transportieren Klischees anderer Kulturen, etwa in den Türkendarstellungen aus der Zeit LeopoldsI.

„Wir wollen einerseits die geschichtliche Entwicklung durch die Sammler und Mäzene vor Augen führen, andererseits die unterschiedlichen Formen des Sammelns zeigen“, sagt Sabine Haag. Denn die Wiener Kunstkammer ist Produkt vieler Herrscher. Der zentrale Saal ist Kaiser RudolphII. vorbehalten, der sich während seiner Regentenzeit von 1576 bis 1612 mehr für seine Wunderkammer als für die Politik interessierte. Die Büste des Adrian de Vries, die RudolphII. zeigt, wird mitten im Raum in leicht erhöhter Position präsentiert – so kann Rudolph in souveräner Haltung über seine Sammlung hinwegblicken. Ein anderer Saal wird der Saliera gewidmet. Von König KarlIX. von Frankreich in Auftrag gegeben, entstand dieses feine Salzfass zwischen 1540 und 1543 und kam 1571 als Geschenk in den Besitz von Erzherzog FerdinandII. von Tirol – dem zweiten zentralen Sammler der Kunstkammer. 18,35 Millionen Euro sind für deren Neuaufstellung nun veranschlagt.

14,85Millionen Euro hat das Bundesministerium dem Museum an Zuschuss zugesagt, denn die Wiedereröffnung sei kunst- und kulturpolitisch das derzeit wichtigste Projekt, erklärt Ministerin Claudia Schmied. Die in Umfang und Vielfalt weltweit einzigartige Kunstkammer sei nicht nur ein „wesentlicher Teil der österreichischen Identität“, so Schmied, sondern auch ein Spiegelbild der habsburgischen und damit europäischen Kultur- und Herrschaftsgeschichte.

 

Kunstwerk-Patenschaften ab 300Euro

3,5 Millionen Euro muss das Haus allerdings selbst auftreiben, damit dieser faszinierende Bereich wieder öffentlich werden kann. 1,5Millionen davon sind bereits durch Sponsoren gesichert, weitere Gelder erhofft man auch durch Patenschaften zu erhalten, die bereits ab 300Euro für einzelne Kunstwerke übernommen werden können.

Wenn dann im Dezember 2012 die Eröffnung stattfindet, will das KHM als wegweisendes Museum des 21.Jahrhunderts auftreten, das nicht mehr nur für seine grandiose Gemäldesammlung besucht wird, sondern wieder ein Gesamtverständnis von Kunst entstehen lässt. Denn dank der Wunderkammern werden Kunst und Kunsthandwerk gleichwertig und sich gegenseitig erhellend nebeneinander stehen. Und dank der weltweiten Ankäufe und Aufträge der habsburgischen Sammler werden die Besucher eine staunende Reise weit über die Grenzen Europas hinaus antreten können – eine Kunstreise rund um die ganze Welt.


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