Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Samuel Beckett und Bruce Nauman sind die Stars der nächsten Ausstellung in der Kunsthalle Wien. Was zum Teufel haben die beiden miteinander zu tun?


Nicht ohne Grund bezeichnen die Kuratoren Christine Hoffmann und Michael Glasmeier ihre Schau als Experiment mit offenem Ausgang. Folgt man ihren Argumenten, so geht es in der Ausstellung weder um ein krampfhaftes Verknüpfen von berühmten Namen, noch um das Untermauern eindeutiger philosophischer Theorien. Vielmehr soll die Gegenüberstellung den Einstieg in das komplexe Werk zweier maßgeblicher Persönlichkeiten der Moderne erleichtern.

Denn es gibt verwandte inhaltliche Positionen und ähnliche formale Lösungen, die das Werk des irischen Schriftstellers Samuel Beckett mit dem des amerikanischen bildenden Künstlers Bruce Nauman verbinden.

Die Gewissheit des Körpers

Beiden gemeinsam ist ihre obsessive Auseinandersetzung mit der Ausweglosigkeit modernen menschlichen Seins. Beckett lässt in seinen Stücken die Schauspieler in aberwitzigen, sinnentleerten Dialogen aufeinander prallen, entwirft absurde Szenarien und entzieht seine Protagonisten damit jeder Raum- und Zeitdimension. Der Mensch wird auf sein körperliches Dasein zurückgeworfen. Der Körper als einzige Gewissheit, dass der Mensch ist.

Warten auf Godot, Schiller Theater Berlin, 8.3. 1975 / ©Bild: Deutsches Theatermuseum
Warten auf Godot, Schiller Theater Berlin, 8.3. 1975 / ©Bild: Deutsches Theatermuseum

Künstler = Material

Der 1941 geborene Nauman setzte bereits in den 60er Jahren seinen Körper als künstlerisches Material ein und begann repetierende Bewegungen auf Film und Video aufzuzeichnen. So entstanden 1969 die "bouncing balls" und 1968 der "Slow Angle Walk" auch "Beckett Walk" genannt, indem er Watts verrenkte Gehbewegungen aus Becketts Roman "Watt" eine Stunde lang in seinem Atelier nachstellte.

Inspiration Beckett

In einem Interview erzählte Nauman wie erstaunt er war, als er in Becketts Erzählung "The Lost Ones" von herumirrenden Menschen in beengenden Räumen las. Er hatte bei Beckett etwas entdeckt, das seine eigenen künstlerischen Bestrebungen kreuzte und ihn inspirierte, seine Ideen weiter zu entwickeln.

Bruce Nauman: Slow Angle Walk (Beckett Walk). 1968
Bruce Nauman: Slow Angle Walk (Beckett Walk). 1968

Produkte dieser Inspiration, wie "False Silence" oder "Dream Passage II" sind nun in der Kunsthalle zu sehen. Skulpturen, drei bis vier Meter hoch, aus engen Gängen und dreieckigen Räumen, in denen der Betrachter mit Bild-, Licht- und Tonfetzen überflutet wird. "False Silence" von 1975 wird erstmals in Originalgröße gebaut, weitere Korridor-Arbeiten sind als zeichnerische Entwürfe zu sehen.

Becketts Filmschaffen

Versuchte Nauman in seinen Filmen, Videoinstallationen und Raumskulpturen die Perzeption des Betrachters weitgehend zu kontrollieren, so tut dies Beckett in seinem literarischen Werk nicht. Er lässt dem Publikum diesen Freiheitsgrad. Beckett erlebte aber schon bald die Sprache zur Darstellung des Nichts als zu eng und wandte sich in den 70er Jahren den Medien Film und Fernsehen zu.

Die Kunsthalle zeigt als Höhepunkt dieser Entwicklung die Fernseharbeiten "Quadrat I und II" von 1981. Zu sehen sind vier seltsame Kapuzenwesen, die auf einer quadratischen Fläche in ständiger Wiederholung zu einem eingezeichneten Kreis trippeln und davor abrupt abbremsen. Erinnert diese Arbeit nicht überraschend an Bruce Naumans Videoinstallation aus den 80er Jahren, wo Köpfe eingesperrt in Monitore in erschöpfender Rhythmik hin- und herpendelnd um Hilfe rufen?

Gingen also Beckett und Nauman von unterschiedlichen Medien aus, um letzlich zu verwechselbaren künstlerischen Formen zu finden? Ob die Kunsthalle Wien diese Fragen schlüssig beantworten kann? Man darf gespannt sein.

Link: Kunsthalle Wien

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