Auf der Suche nach der verlorenen Zeit | |
Samuel Beckett und Bruce Nauman sind die Stars der nächsten Ausstellung in der Kunsthalle Wien. Was zum Teufel haben die beiden miteinander zu tun?
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Nicht ohne Grund bezeichnen die Kuratoren
Christine Hoffmann und Michael Glasmeier ihre Schau als Experiment mit
offenem Ausgang. Folgt man ihren Argumenten, so geht es in der Ausstellung
weder um ein krampfhaftes Verknüpfen von berühmten Namen, noch um das
Untermauern eindeutiger philosophischer Theorien. Vielmehr soll die
Gegenüberstellung den Einstieg in das komplexe Werk zweier maßgeblicher
Persönlichkeiten der Moderne erleichtern. Denn es gibt verwandte inhaltliche Positionen und ähnliche formale
Lösungen, die das Werk des irischen Schriftstellers Samuel Beckett mit dem
des amerikanischen bildenden Künstlers Bruce Nauman verbinden. Die Gewissheit des Körpers Beiden gemeinsam ist ihre obsessive Auseinandersetzung mit der
Ausweglosigkeit modernen menschlichen Seins. Beckett lässt in seinen
Stücken die Schauspieler in aberwitzigen, sinnentleerten Dialogen
aufeinander prallen, entwirft absurde Szenarien und entzieht seine
Protagonisten damit jeder Raum- und Zeitdimension. Der Mensch wird auf
sein körperliches Dasein zurückgeworfen. Der Körper als einzige
Gewissheit, dass der Mensch ist.
Künstler = Material Der 1941 geborene Nauman setzte bereits in den 60er Jahren seinen
Körper als künstlerisches Material ein und begann repetierende Bewegungen
auf Film und Video aufzuzeichnen. So entstanden 1969 die "bouncing balls"
und 1968 der "Slow Angle Walk" auch "Beckett Walk" genannt, indem er Watts
verrenkte Gehbewegungen aus Becketts Roman "Watt" eine Stunde lang in
seinem Atelier nachstellte. Inspiration Beckett In einem Interview erzählte Nauman wie erstaunt er war, als er in
Becketts Erzählung "The Lost Ones" von herumirrenden Menschen in
beengenden Räumen las. Er hatte bei Beckett etwas entdeckt, das seine
eigenen künstlerischen Bestrebungen kreuzte und ihn inspirierte, seine
Ideen weiter zu entwickeln.
Produkte dieser Inspiration, wie "False Silence" oder "Dream Passage
II" sind nun in der Kunsthalle zu sehen. Skulpturen, drei bis vier Meter
hoch, aus engen Gängen und dreieckigen Räumen, in denen der Betrachter mit
Bild-, Licht- und Tonfetzen überflutet wird. "False Silence" von 1975 wird
erstmals in Originalgröße gebaut, weitere Korridor-Arbeiten sind als
zeichnerische Entwürfe zu sehen. Becketts Filmschaffen Versuchte Nauman in seinen Filmen, Videoinstallationen und
Raumskulpturen die Perzeption des Betrachters weitgehend zu kontrollieren,
so tut dies Beckett in seinem literarischen Werk nicht. Er lässt dem
Publikum diesen Freiheitsgrad. Beckett erlebte aber schon bald die Sprache
zur Darstellung des Nichts als zu eng und wandte sich in den 70er
Jahren den Medien Film und Fernsehen zu. Die Kunsthalle zeigt als Höhepunkt dieser Entwicklung die
Fernseharbeiten "Quadrat I und II" von 1981. Zu sehen sind vier seltsame
Kapuzenwesen, die auf einer quadratischen Fläche in ständiger Wiederholung
zu einem eingezeichneten Kreis trippeln und davor abrupt abbremsen.
Erinnert diese Arbeit nicht überraschend an Bruce Naumans
Videoinstallation aus den 80er Jahren, wo Köpfe eingesperrt in Monitore in
erschöpfender Rhythmik hin- und herpendelnd um Hilfe rufen? Gingen also Beckett und Nauman von unterschiedlichen Medien aus, um
letzlich zu verwechselbaren künstlerischen Formen zu finden? Ob die
Kunsthalle Wien diese Fragen schlüssig beantworten kann? Man darf gespannt
sein. Link: Kunsthalle Wien | ||||||