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06.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Galerie Lindner: eingebrannt - Galerie Andreas Huber: luftig

kunstraum

Ehrwürdige Städte, prächtige Herrenhäuser, hübsche Dörfer, historische Kirchen, kilometerlange saubere Strände, Naturschutzgebiete, reizende Geschäfte und einladende Cafés: In Norfolk findet jeder etwas, heißt es auf der Tourismushomepage, die durch zahlreiche Angebote in die östlichste Grafschaft Großbritanniens lockt. Roger Ackling findet an der hiesigen Küste vor allem eines: von Sand und Salz gebleichtes und verformtes Treibholz. Zivilisation lässt sich bei manchen seiner Fundstücke an handwerklichen Restbeständen wie Nägeln, Drähten oder Sägespuren ablesen. Geboren 1947 in London, verbindet Ackling minimalistische Techniken mit Verfahren der Land Art. Linie um Linie brennt er mit Hilfe der Sonne durch ein Brennglas in das, was die Wellen anspülen oder der Künstler im Trödelladen erwirbt. Über Stunden, teilweise Tage erstreckt sich sein Tun. Die eingebrannten Strukturen kontrastieren facettenreich mit den Texturen des Holzes. Mit simpler Gebrauchsware wie Gummibändern, Reißnägeln oder Stecknadeln verleiht der Brite dem Naturerwirkten eine zusätzliche feinsinnige, geometrische Struktur. Traten viele seiner Land-Art-Kollegen vor allem durch gigantische Eingriffe in die Landschaft hervor, so sprengen Acklings bezaubernde Kleinplastiken (520-4350 €) nur selten das Hosentaschenformat. (bis 30. 6., Schmalzhofg. 13/3, Wien 6)

Galerie Andreas Huber: luftig

Mit dem systematischen Durchwandern der Natur so mancher Land-Art-Größen mag man spontan auch Gernot Wielands Projekt "2 Kilometer westlich, 1 Kilometer südlich, 100 Meter geradeaus" assoziieren. Ersonnen hat der Österreicher, Jahrgang 1968, diesen Titel für eine medial mehrschichtig inszenierte Story von einem Ornithologen, der in einer psychiatrischen Anstalt seine wissenschaftliche Passion reflektiert, bevor er nach Wales reist, um an diesem paradiesischen "locus amoenus" (DVD, 2800 €) über Natur versus Kultur zu sinnieren. Die Diskrepanz zwischen der Innenwelt des Protagonisten und der Außenwelt wird hier offenkundig. Abstrakt ist sein Verhältnis zu dieser, nur mittels Grafiken, Tabellen, Notizen vermag er sie zu fassen. Wielands Tuschzeichnungen und Collagen sehen dagegen wie Seiten aus einem Schulheft für Naturkunde aus: unterschiedliche Vogelarten finden sich darin quasi-wissenschaftlich kategorisiert (2300 €). Eine Dreieckshöhle aus Styropor und Holz am Türstock der Galerie zählt zu den skulpturalen Versatzstücken dieses amüsant verschrobenen Konzepts. Ebenso ein kleines Loch in der Wand mit Titel "Romantisches Fenster". Dieses könnte für satte 6000 € zuhause für Entlüftung sorgen. (bis 17. 6., Capistrang. 3, Wien 6). Manisha Jothady

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