Linz’09-Projekt-Entwickler Ulrich Fuchs auf der
„roten Couch“ beim OÖN-Interview |
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2,500.000 Leute sollen 2009
Linz besuchen |
Morgen präsentiert das
Organisations-Team für die EU-Kulturhauptstadt Linz 2009 seine
ersten Projekt-Ideen. Die OÖN trafen den
2009-Projekt-Entwickler Ulrich Fuchs zum
Interview.
OÖN: Können Sie sich
noch an den ersten Eindruck erinnern, den Sie von Linz
hatten?
Fuchs: Ja, noch sehr gut. Das
war im Mai letzten Jahres. Da hatte mich Linz'09-Intendant
Martin Heller gefragt, ob ich mitarbeiten möchte. Ich hatte
damals noch keine Ahnung von Linz und dachte mir, da fährst Du
jetzt einfach mal hin. Es war sehr schönes Wetter, sehr heiß.
Ich bin dann auch mit dieser gelben Bimmelbahn durch die Stadt
gegondelt und es war sofort eine Sympathie
da.
OÖN:
Wodurch?
Fuchs: Diese Anmutung von
Hauptplatz, Lentos und AEC, das hat mir gefallen. Außerdem:
Linz ist groß genug, um nicht in so einem Kleinstadt-Aspekt zu
landen, in dem man dann permanent einer sozialen Kontrolle
unterliegt.
OÖN: Sie hatten auch
andere Optionen?
Fuchs: Zunächst mal:
Zurückzugehen an die Bremer Uni, wo ich Theater- und
Literaturwissenschaften unterrichte. Oder nach Brüssel in die
EU.
OÖN: Warum die Entscheidung für
Linz?
Fuchs: Es hat mich von der
Aufgabe her einfach mehr gereizt. Der Gestaltungsspielraum in
Linz erschien mir größer.
OÖN: Was ist
Ihre genaue Funktion in Linz?
Fuchs:
Stellvertreter von Martin Heller als künstlerischer Leiter.
Heller muss zwischen Zürich und Linz pendeln, ich wohne hier
in der Klosterstraße. Kann also auch die repräsentativen Jobs
übernehmen. Wenn Heller in Linz ist, beginnt unser Arbeitstag
um 6.30 Uhr und endet nach
Mitternacht.
OÖN: Sind Sie in Hellers
Firma, "Heller-Enterprises",
eingegliedert?
Fuchs: Nein. Mein
formeller Status ist, dass ich als Uni-Professor ein
beurlaubter Bremer Beamter bin. Hier in Linz habe ich ein
Anstellungsverhältnis mit der Stadt innerhalb der 2009-GmbH
mit Büro in der Gruberstraße 2.
OÖN:
Sie haben also auch
Entscheidungsgewalt?
Fuchs: Ich habe
auch Prokura und innerhalb der Geschäftsleitung eine
Zeichnungsberechtigung. Und ich bin Leiter der
Programm-Entwicklung.
OÖN: Wie ging es
dann damals weiter mit Ihren
Linz-Eindrücken?
Fuchs: Ich bin im
Herbst permanent zwischen Linz und Bremen gependelt. Wohnte in
ca. 17 unterschiedlichen Hotels. Damals gab's dann die ersten
intensiven Kontakte mit der politischen Ebene, mit den
Kultureinrichtungen.
Auch unsere Dreitages-Tour durch
die freie Szene. Wir wollten ja nicht wie so zwei
Fallschirmspringer einfach hier landen und mit irgendetwas
anfangen, sondern erstmal wahrnehmen, wie diese Stadt
eigentlich funktioniert.
OÖN: Viele
sind noch immer verunsichert, dass Heller vor seiner Berufung
kein fixes Konzept für Linz präsentieren
musste.
Fuchs: Das kam so: In
Deutschland gab es - anders als in Österreich - bei der
letzten Kulturhauptstadt-Auswahl einen harten, zwei Jahre
dauernden Konkurrenzkampf unter 16 Städten. Die Teams mussten
dort auch die Richtung formulieren, in die sich die Stadt
entwickeln will. Der Titel ist nicht die Auszeichnung für
etwas Geleistetes, sondern ein Stipendium für etwas zu
Entwickelndes.
OÖN: Aber Linz warb mit
dem, was es hat ...
Fuchs: Genau: Was
Linz einbrachte, war bloß eine Beschreibung dessen, was es
bereits gibt. Das hatte damit zu tun, dass es keine ernsthafte
Konkurrenz gab und Linz relativ unangefochten durchs Ziel
rennen konnte.
OÖN: Zumindest der
Bewerbungs-Titel lautete "Labor der Zukunft"
...
Fuchs: Einmal ganz kritisch
gesagt: Ein echtes "Mission Statement" gab es keines. Das
mussten wir uns alles erst
erarbeiten.
OÖN: Und in welche
Richtung geht das nun?
Fuchs: Wir
haben tatsächlich ein "Alleinstellungsmerkmal" für Linz
gefunden, mit dem wir arbeiten können: Im Unterschied zu
vielen anderen Städten basiert die Entwicklung von Kultur und
Kulturwirtschaft in Linz nicht auf einer zusammengebrochenen
Industrielandschaft.
Das Spannende hier ist vielmehr
diese Parallelität: Eine erfolgreiche wissens- und
technolologiebasierte Industriestadt mit starker kultureller
Entwicklung und starkem Öko-
Bewusstsein.
OÖN: Wobei sich die
Eigenwerbung der Stadt seit den Achtziger Jahren weg vom Image
der Stahl- auf die reine Kulturstadt
reduzierte.
Fuchs: Ja. Und das halte
ich für falsch. Unsere Projekte sollen deswegen auch alle
Bereiche enthalten.
OÖN: Wie soll das
konkret passieren?
Fuchs: Zum einen
schauen wir uns jetzt besonders Vorschläge an, die diese
Aspekte von Industrie, Industriegeschichte, Kultur und Natur
zum Thema haben.
OÖN: Noch
konkreter?
Fuchs: Die Bespielung des
Donauraumes zum Beispiel. Die interessiert uns in besonderem
Maße. Ich glaube auch, dass das Leben in der "Stadt am Fluss"
noch viel Entwicklungspotenzial hat. Und wir werden das
Industriegelände bespielen.
OÖN:
Halten Sie dabei die Programm-Grätsche von den
Arbeiter-Interessen zum intellektuellen Kern für
möglich?
Fuchs: Alle sollen unser
Angebot annehmen können und das Linzer Publikum ist
grundsätzlich interessiert, man kann ihm was zumuten. Wir
werden versuchen, dieses Publikum und das europäische zu
verführen.
Wir wollen, dass 2009 zweieinhalb Millionen
Menschen hierherkommen! Die sollen Linz auch nach 2009 wieder
besuchen. Darum beziehen wir die Folgejahre in unsere
Überlegungen mit ein. Das gehört zur Professionalität unseres
Jobs.
OÖN: Wie viele Projekte wurden
eingereicht?
Fuchs: Über 400. Einiges
hat sich bereits erledigt, zu einigen haben wir bereits
Workshops gemacht, um die Themen weiter zu entwickeln. Wir
halten die Tür so lange als möglich für Ideen
offen.
OÖN: Welchen Grund hat die
lange Geheimhaltung vieler
Projekte?
Fuchs: Ganz einfach: wir
wollen nicht, dass jemand, der unser Interesse riecht,
plötzlich die Preisverhandlungen in die Höhe treibt. Das wäre
dann ein Eigentor.
OÖN: Apropos
Honorare: Mit dem '09-Budget ist Ihnen ein entspanntes
Arbeiten möglich?
Fuchs: Auf jeden
Fall. Wobei wir trotzdem bemüht sind, die 60 Millionen durch
Sponsoring, EU-Förderungen etc. zu
erweitern.
OÖN: Abschluss-Frage:
Welchen Eindruck wollen Sie von Linz nach 2009
haben?
Fuchs: Bisher hab ich's hier
noch keine Minute bereut. Und ich wünsche mir, dass die Leute
mit uns in den Jahren nach dem Kulturhauptstadtjahr etwas
Positives verbinden und sagen, die haben die Stadt eine Runde
weiter gebracht.
Dass das Gefühl entstanden ist, 2009
hat wie ein Katalysator für die Stadtentwicklung
gewirkt.
Kurzbiographie: Promovierter
Literatur- und Theaterwissenschafter; Lehrtätigkeiten an der
Universität Bremen und der Universität Avignon. Dramaturg am
Bremer Theater; erarbeitete 2003 - 2005 mit Martin Heller die
Bewerbung Bremens als
EU-Kulturhauptstadt.
Hobbys: Tennis,
Jogging.
vom 15.05.2006 |
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