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vom 16.02.2006 - Seite 027
Das Böse, das in Kindern haust

Rundum spannend: Dieses Attribut verdient das künstlerische Werk der holländischen Zeichnerin Vanessa Jane Phaff, die ab heute im Linzer Kunstmuseum Lentos ausstellt. Phaff verbindet traditionelle Techniken mit zeitgemäßen Inhalten.

VON IRENE JUDMAYER

"Nein, überhaupt nicht!" - Wie aus der Pistole geschossen kam Vanessa Jane Phaffs Antwort auf die OÖN-Frage, ob sie selbst ein "böses" Kind gewesen ist. Auf die zweite Frage: "Und in Ihren Phantasien?" folgte ein klares, sicheres "Ja!".

Mit diesem schmalen Grat zwischen Schuld und Unschuld von Kindern respektive Jugendlichen beschäftigt sich die Niederländerin in ihren künstlerischen Arbeiten. Mit dem Kippen von Täter- und Opferrollen.

Kleine Bösartigkeiten

Auch in jenen technisch überragenden und inhaltlich höchst suggestiven Zeichnungen sowie bemalten Druckgraphiken, die ab heute (Vernissage 19 Uhr) im Untergeschoss des Linzer Kunstmuseums Lentos zu sehen sind. Unter dem Motto "Spiegelkabinett" spielt Phaff (übrigens ausgebildete Tänzerin) dabei mit Erfahrungen ihres Publikums. Kinder waren wir schließlich alle. Und diverse Bösartigkeiten schlummerten damals wohl auch in den meisten von uns. Phaff transportiert das in einer klaren Bildsprache, die von Konturen bestimmt ist. Erinnert mitunter an zeitgenössische japanische Comics (Manga), wirkt jedoch nie "nachgemacht". Dazu ist ihre bevorzugte Arbeitsweise viel zu eigenständig: Riesige Linoldrucke überträgt sie auf Leinwand, malt sie mit Acrylfarben an.

Tipp für Sammler

Vanessa Jane Phaffs große Qualität ist es, in einer Art bildnerischen "Zeitensprungs" eine traditionelle Fertigungs- und Präsentationstechnik überzeugend mit Themen des 21. Jahrhunderts zu verbinden. Es geht um Abgründe, die hinter Naivität lauern. Um erlittene oder verursachte Verletzungen von Kindern.

So verwischen sich denn im "Rotkäppchen"-Zyklus Raubtier Mensch und Wolf. So werden ihre "Heidi"-Bilder zu harten Abrechnungen mit nationalsozialistisch missbrauchten Mädchen-Attributen.

Vanessa Jane Phaff hat etwas vom "Seelenzeichner" Alfred Kubin und geht doch weit darüber hinaus. International hat sie bereits einen sehr guten Namen, in Österreich ist das ihre erste Personale. Ihre Preise liegen (noch!) zwischen 1000 und ca. 8000 Euro. Prognose: Ein guter Tipp für Sammler.

Die Blume ist gerupft und das Hexenkreuz ist gesponnen. Foto:Lentos/Haider


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