MAK-Ausstellungshalle: Arbeiten von Otto Muehl
"Schönheit aus der Perversion"
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Nach der Eröffnung der Ausstellung "Otto Muehl. Aspekte einer
Totalrevolution", anlässlich des Ankaufs der Sammlung Friedrichshof für
das ab den achtziger Jahren vervollständigte Aktionismusarchiv des MUMOK
in der ersten Ebene des Museums, zeigt das MAK bis 31. Mai eine
vielbestückte dreigeteilte Schau: "Otto Muehl. Leben/Kunst/Werk. Aktion
Utopie Malerei 1960 bis 2004". Kuratiert von Bettina M. Busse und Barbara
Horvath wird der Schwerpunkt auf das malerische Œuvre, die "aktionistische
Konzeptmalerei", eine typische, postmoderne Auseinandersetzung mit van
Gogh, Kokoschka, Schiele, Gerstl, Duchamp, Picasso und Warhol gelegt,
beginnend mit dem Jahr 1953. Es ist anfangs die akademische Geste
eines Expressiven und Schülers von Heimo Kuchling in der Wotruba-Klasse.
Zwei Grundsätze blieben seit damals: die Selbstbespiegelung (später als
private Interpretation von Freud und Reich) in einem Autoporträt à la
Chaim Soutine und die Paraphrase bekannter Kunstwerke (wie der
Sonnenblumen van Goghs). Parallel zum Aktionismus entstanden die
Materialbilder, samt Agieren mit ungewöhnlichen Materialien wie
Lebensmittel, Urin und Kot und der Stil des psycho-physischen Naturalismus
(mit Hermann Nitsch), daneben die (verlorenen) Gerümpelskulpturen. Auch
die Warhol nahe "Persönlichkeiten"-Serie in Dispersion oder Siebdruck von
Ho-Tschi-Minh über Adenauer, Hitler, Jonas und Paul VI. bis zu Heinz
Conrads und Prinz Charles, diente noch als Hintergrund zu Aktionen wie
"Der geile Wotan" 1970. Sie kehrt später ab den 80er Jahren, wie auch die
Begeisterung für van Gogh in weiteren Serien wieder und mündet in den
post-aktionistischen Werken der Gefängniszeit (Haftanstalten Stein und am
Mittersteig) und zuletzt bei den in Portugal entstandenen Haifischbildern
und trickfilm- und collagehaften "Electric Paintings". In den
Malereipausen liegen die eigentlichen Erweiterungen des Kunstbegriffs in
der radikalen Verbindung von Kunst und Leben: zuerst die
aktionistisch-theatralischen Aktivitäten, wie bei Brus eigentlich nur eine
"Durchgangsphase", für die er aber durch die "Theologie der Provokation"
(M. Giroud im Katalog) bis heute bekannt ist, bzw. darauf reflektiert, und
danach das gescheiterte Kommune-Experiment. Die
Aktions-Analytische-Kommune (zuerst Wien, dann Friedrichshof, dann Gomera)
betrieb auf Anleitung von Muehl selbstdarstellerische Körperkunst als
Medizin. Kahlgeschoren und in Latzhosen missionierten die KommunardInnen
an den damaligen Kunsthochschulen mit besonderem Eifer: jeder Fanatismus
hinterlässt Opfer, die in der Schau nicht zur Diskussion stehen. Was
sich schon in der nach der Haftentlassung von Peter Noever 1997 im MAK
präsentierten Ausstellung zeigte, findet in der Gesamtretrospektive seine
Fortsetzung: Muehl (der sich zeitweise übrigens auch "Mühl" schrieb)
erweist sich mit diesen Arbeiten als schwächster malender Vertreter des
Wiener Aktionismus, den er vor allem mit seinem utopistischen
Gesellschaftsmodell bereicherte. Jenes aus dem Geist der Romantik
stammende unheilvolle Vermischen von Kunst, Religion und Politik, das u.
a. die Futuristen mit den späteren totalitären Systemen gemeinsam hatten,
fand und findet nach wie vor eine begeisterte Anhängerschaft, die eine
seriöse wissenschaftliche Diskussion wegen der Polarisierung in totale
Gegner und totale Befürworter fast unmöglich macht.
Kommentar:
Das sanktionierte Enfant terrible
Die heraufbeschworenen
Skandale und Proteste anlässlich der Ausstellung werden sehr geschickt für
das Museum und den Künstler als Publicity genützt, obwohl Muehl sich nach
wie vor als absoluter Gegner von Institutionen und Kunstmarkt bezeichnet.
Ohne die vorangegangenen Skandale und ohne Muehls Beitrag zum Wiener
Aktionismus wären diese Arbeiten allerdings uninteressant, bzw. würden
durch ihre mindere Qualität auch keine Aktien für einen ruhigen
Lebensabend der Restkommune in Faro (Portugal) darstellen. In Österreich
wird nach 40 Jahren eine Revolte sanktioniert und viele (nicht nur
Museumsdirektoren) gefallen sich im scheinbar progressiven Erheben der
ehemaligen Enfant terribles zu neuen Staatspreisträgern. Muehl selbst,
der sich schon 1967 als Pop-Messias bezeichnete, sieht sich heute als
Märtyrer der österreichischen Justiz, in seinem kürzlich der "Zeit"
gegebenen Interview wurde selbst der geschmacklose Vergleich mit jüdischer
Verfolgung durch die Nationalsozialisten nicht ausgelassen. Da er sich
jedoch eines Weltverbesserungsmodells bediente, das den Mitgliedern seiner
(Aktions-Analytischen) Kommune die Erlösung durch Zerstörung bestehender
Gesellschaftssysteme versprach, rückt er als diktatorischer
Priesterkünstler allerdings in eine unheilvolle Reihe, die von Richard
Wagners Gesamtkunstwerk als Philosophie der Offenbarung seinen Ausgang
nahm. Kunst im Leben zu verwirklichen, hat schon Nietzsche empfohlen,
der ja bekanntlich auch den Übermenschen und das Genie ins 20. Jahrhundert
weitergab, wo selbstverliebte Männerkulte sie mit Ariosophie und
Antisemitismus verknüpften. Auch wenn die radikalen Avantgarden der
Nachkriegszeit (Aktionisten, abstrakte Expressionisten) angeblich gegen
die Reste des Nationalsozialismus oder Stalinismus ankämpften, haben sie
sich über das erhabene Prinzip, die Geste der Zerstörung und des
Untergangs, sowie absoluten Wahrheitsanspruch auch die Kunstmittel solcher
Systeme bewahrt. "Wir sind von der Moderne weiter entfernt als je
zuvor" - so Filmemacher Martin Scorsese im Februar 2003 - es gilt dies
angesichts der Kunstpolitik verschworener Cliquen zu befürchten. Warum
wird nicht schon zu Lebzeiten das qualitätsvollere Werk von Valie Export
breit angekauft sowie die noch immer unbekannten Beiträge Rita Furrers und
anderer interessanter Beiträgerinnen des Aktionismus in Wiener Museen
aufgenommen und gezeigt? Sind sie vielleicht zu wenig skandalträchtig und
bringen daher zu wenig Publikum für die vollrechtsfähigen Museen?
Erschienen am: 10.03.2004 |
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