![](00058841-Dateien/p.gif) |
Man ist im Begriff, die Seele von Paris zu tö ten; unter dem Vor wand,
,ungesunde Nester' auszuheben, wird niedergewalzt, was den Charme der
Hauptstadt ausmacht." Ein wahres Wort von Brassaï. Als Gyula Halász wurde
er 1899 in Brasso, Transsylvanien, geboren, über Budapest und Berlin fand
er seine Heimat in Paris. Dort verdiente er seinen Lebensunterhalt
zunächst mit Zeitungsartikeln.
Weil das Foto immer mehr an Bedeutung gewann, sattelte er
um. Als Auge von Paris wurde er berühmt. Die Schönen der Nacht, Liebende,
Bars, die Armen, Schatten, Laternen, den Fluss nahm er auf. Das klingt
einfach, die Raffinesse liegt in der Technik. Brassaï "schoss" nicht, er
wartete den geeigneten Zeitpunkt ab, arrangierte liebevoll, arbeitete mit
Komparsen. Durch sein Objektiv erstand die Stadt neu und geheimnisvoll.
Man erlebt sie so heute an immer wenigen Plätzen.
In der Masse, wie jetzt in der Albertina, wirken die
Bilder romantisch, etwas altmodisch, euphemistisch, wenn auch sicher nicht
touristisch. Brassaïs Paris wirkt so prägnant und eigentümlich wie das
Wien des Dritten Mannes oder Berlin Alexanderplatz, Döblins Roman, von
Fassbinder verfilmt.
Der Reiz liegt in der Erinnerung an die Zeit, als die
Stadt mit Gas, elektrischem Licht die Schwelle zur Moderne überschritt.
Großen Anklang fanden Brassaïs Fotos im puritanischen Amerika, genau so
stellte man sich dort die frivole Metropole an der Seine vor. Nebenbei:
nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland. Brassaï protokollierte
auch das Paris der Besatzungszeit, Resignation, Depression. Er hätte in
die USA auswandern können. Auf dem Weg in den Süden kehrte er um, wollte
seine Negative retten. Die Deutschen verboten ihm zu arbeiten.
Brassaï war nicht nur Fotograf, er zeichnete, malte,
schuf Skulpturen, schrieb. Er verehrte Proust - und Goethe; diesem folgte
er in dem Wunsch, "alles" in sich aufzunehmen. Bereits im Berlin der
zwanziger Jahre traf er Künstler wie Moholy-Nagy, Kokoschka, Varèse - und
schloss die Kunstakademie ab. 1924 ließ er sich in Paris nieder. Aus
seiner Zeit mit den Surrealisten, von deren Dogmatik er sich abgrenzte,
stammen Aufnahmen "unwillkürlicher Skulpturen", eine Seife mit einem
zusammengerollten Busfahrschein sieht aus wie ein Flugobjekt, bizarr: eine
keimende Kartoffel, die ihre Triebe wie Arme ausstreckt, Nadeln, die wie
eine Orgel aussehen.
Von seiner Freundschaft mit Picasso ist spürbar Brassaïs
bildende Kunst geprägt. Die Frau als Musik-Instrument, gebildet aus
Gitarren, Mandolinen. Brassaï liebte Graffiti als ursprünglichste
Kunst-Form. Das Werk stand für ihn im Mittelpunkt, nicht der Schöpfer. Ein
weiteres Segment seines OEuvres sind Porträts: Genet in Hemdsärmeln,
jungenhaft, viril. Mit Henry Miller durchstreifte Brassaï die Nächte:
lässig sieht Miller aus mit Hut, Tschick, trotzdem: ein Amerikaner in
Paris. Sich selbst bildete Brassaï mit nachdenklichem Forscherblick hinter
der Kamera ab.
Persönlich galt er als asketisch, arbeitsam. Nach dem
Krieg lebte er jeweils einen Teil des Jahres an der Cote d'Azur, wo er
84jährig starb. Von dem Buch, das ihn bekannt machte, "Paris de Nuit"
(1932) profitieren viele Nachfolger, bis heute. Ihm selbst bereitete es
eine Enttäuschung: der Verlag gab bis zu seinem Tod die angeblich
verschwundenen Negative nicht heraus. (bis 21. September, 10-18, Mi. 10-21
Uhr, Eintritt 7.50, Katalog 28 €).
© Die Presse | Wien
|
![](00058841-Dateien/p.gif) |