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Künstlerhaus: Das Hirn in der Welt

10.09.2010 | 18:47 | THOMAS KRAMAR (Die Presse)

Das Festival Paraflows befasst sich mit Geist und Materie. Welche Kunst tut das nicht? Das erste Objekt ist ein pulsierendes Hirn. Eigentlich das pulsierende Bild eines Hirns.

Das erste Objekt ist ein pulsierendes Hirn. Eigentlich: das pulsierende Bild eines Hirns. Es ist von Peter Kogler (das Bild, nicht das Hirn) und fasst das Thema der Ausstellung ganz gut: „Mind and Matter“, Geist und Materie. Denn die einzige Materie, über die wir wissen, dass aus ihr Geist entspringt, ist das Gehirn. Dass der Computer „denken“ könne, wird auch im „Paraflows“-Katalog nur mehr unter Anführungszeichen behauptet. Dafür wird dort das Leib-und-Seele-Problem als „Matrix der abendländischen Welt“ bezeichnet. Wer's fassen kann, der...

Was ist im Hirn, das nicht in der Welt ist? Und: Wie kommt die Welt ins Hirn? Beide (letztlich unbeantwortbaren) Fragen legt „Thinking About Movie Making“ von Sigfried A.Fruhauf nahe: eine Computertomografie des Künstlerhirns, daneben ein Film, der den Künstler zeigt, offenbar beim Denken, aber wer weiß. Thematisch verwandt scheint eine Skulptur von Jane Tingley: Sie zeigt einen menschlichen Torso, geflochten aus Schnüren, die ihn zugleich mit der Außenwelt verbinden. Ein Netz im Netz. Der Kopf, in dem unsere Kontakte mit der Außenwelt tatsächlich ihre Zentrale haben, fehlt.

Bei anderen Arbeiten erschließt sich der Zusammenhang mit dem Thema nur mühsam. Bei den „spectromorphologischen Topologien“ von Nina Tommasi etwa: Hinter dem prahlerischen Titel (passender Untertitel: „Versuchsanordnung über den Zeitkörper“) verbirgt sich eine nicht sonderlich einleuchtende Methode, Musik zu notieren. Oder bei Niki Passaths blinkenden und rauschenden Würfelkompositionen: Sie seien „einfach ein Beweis mehr für die vielen Möglichkeiten techno-organischen Seins“, steht im Katalog. Das kann man wohl auch über Gerold Tagwerkers blinkende Quadrate sagen. Oder über einen Weihnachtsbaum.

 

Neuronen sind überall!

Natürlich kann man auch in manchen der Muster, die die Installation der Grazer Künstlerin Lia erstellt, ein Geflecht aus Neuronen sehen, die einander suchen und finden. Wenn man das sucht. Und wenn man die Parameter richtig einstellt, die man mit einem Regler ändern kann, ohne zu wissen, welche Parameter es sind. Man sieht nur das Ergebnis – und kann daraus lernen.

Aus den „Fragments“ von Annja Krautgasser kann man u.a. lernen, dass „Why?“ eine „Art von Metafrage“ ist, wenn es um die Liebe resp. um Dating geht. Das sagt einer der von ihr Interviewten. Eigentlich hat er recht, denkt man sich. Aber was das wieder mit dem Thema zu tun hat?

Vielleicht sollte man das großzügiger sehen und sagen: Die Kunst, die nichts mit Geist und Materie zu tun hat, muss erst erfunden werden. Und wie die Materie vom Geist begleitet wird, so wird eine Ausstellung, die auf sich hält, von einem Symposium begleitet. Diesfalls unter Mitwirkung von Teilen der Gruppe „monochrom“, die vor keinem Diskurs zurückschreckt, und mit teils hübschen Vortragstiteln wie „The Doors of Misperception“.

Das Symposium im Künstlerhaus dauert noch bis Sonntagabend. Die Ausstellung läuft bis 10.10. Info: www.paraflows.at


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