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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
12.05.2004
23:25 MEZ
Von
Franz Niegelhell

 
Fotos: Lentos
Einer der zehn Leuchttische von Gustav Deutsch und Hanna Schimeks "Atlas" im Lentos zur Thematik Licht, Bild und Realität.

Gefängnisbilder im Museum
Die neue Lentos-Chefin Stella Rollig beginnt mit zwei diskursiven Ausstellungen

Linz - Seit 1. Mai leitet die Wiener Kuratorin, Kritikerin und Autorin Stella Rollig das Lentos in Linz. Gleichzeitig kann das einjährige Bestehen des Kunstmuseums gefeiert werden. So startet Rollig am kommenden Wochenende ihre künstlerische Arbeit mit zwei außergewöhnlichen Ausstellungen, einem Festprogramm und der Veranstaltungsreihe "sonntags um 11".

"Ein Museum hat die Aufgabe, mehrere Programme für unterschiedliche Interessen anzubieten. Und es kann das tun, ohne beliebig zu werden", lautet Rolligs Credo. Zwei Ausstellungen von Darren Almond und Gustav Deutsch/ Hanna Schimek veranschaulichen diesen Standpunkt auf eine sehr reflexive Weise.

Die Installation Live Sentence des jungen Briten Almond bringt durch eine Liveschaltung mit einer Linzer Justizanstalt Gefängnisbilder ins Museum. Personen sind nie zu sehen, man kann sie nur anhand von Geräuschen erahnen. Eine Verschränkung von Kultur/Bildung und Justiz also, die die Gleichzeitigkeit institutionell getrennter Raumbegriffe aufzeigt. Hier scheinen Machtverhältnisse und Raumverhältnisse ineinander überzugehen. Die kalte Inszenierung gemahnt an Foucaults "Überwachen und Strafen".

Almonds Reproduktion einer Fotografie von Henry Fox Talbott am Ende der Installation - eines der frühesten Werke der Fotogeschichte zeigt einen Ausblick auf die englische Landschaft - spannt den inhaltlichen Bogen zu den kulturhistorischen Ursprüngen des modernen Begriffs von Freiheit. Sie erinnert daran, dass die Erfindung der Fotografie parallel zur Industrialisierung, zur Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft verläuft und damit auch das Selbstverständnis mitprägt, das der heutigen europäischen Verfasstheit im Wesentlichen zugrunde liegt.

Die Schau ist die erste Einzelausstellung von Almond in Österreich. Sie ist geschickt in die laufende - noch von Peter Baum kuratierte Ausstellung - zu Schmidt-Rottluff und Werken des Expressionismus aus der Sammlung des Lentos verschränkt.

Auch die medientheoretische Schau von Deutsch und Schimek verschränkt Bestehendes innovativ mit Neuem. Der Atlas umfasst eine Sammlung von rund 1500 Bildern aus der Kunst- und Wissenschaftsgeschichte zum Thema Licht. Eine Auswahl von über 700 Bildern wird in Form von Computerprints, thematisch und assoziativ arrangiert, auf zehn Leuchttischen präsentiert und fragt nach der Realität des Abbildes. Zusätzlich gibt es eine vom Künstlerduo getroffene Auswahl aus der fotografischen Sammlung des Lentos zu sehen.

Eröffnet werden die beiden Ausstellungen am Freitag um 19 Uhr. Der Abend setzt den Auftakt zu "Lentos 1", dem Fest zum einjährigen Bestehen, das am Samstag über die Bühne geht. Freier Eintritt von 10 bis 20 Uhr, stündliche Führungen unter anderem mit der Leiterin, Kreativworkshops für Kinder, Filmvorführungen und Musik (Fennesz) stehen dabei auf dem Programm.

Auch für die weitere Zukunft steht die Befragung dessen, was ein Museum können und leisten soll, im Mittelpunkt. "sonntags um 11" und "container" (ab 27. Juni) sind etwa "Gespräche über Funktionen und Perspektiven des zeitgenössischen Museums".
(DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2004)


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