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14.04.2006 - Kultur&Medien / Kommentare
Kunstlicht: Kunst und Kirche: tiefer und subtiler
ALMUTH SPIEGLER

D
ie Trennung zwischen Kunst und Kirche sei eine Tatsache, an der es nichts zu deuten gebe, stellte der deutsche Jesuitenpater Friedhelm Mennekes klar, der, wie vielleicht kein anderer, die Mittlerrolle des verstorbenen Monsignore Otto Mauer im Heute weiterführt. Dabei vergießt Mennekes um dieses zerstörte Verhältnis keine großen Tränen: "Die Entwicklung ist unumkehrbar. Ein Problem ist sie nur für wenige."

Sehr wohl ein Problem allerdings scheint zu sein, dass diese wenigen dafür umso lauter schreien. Vor allem und immer wieder im traditionsbesessenen Salzburg, wo neuerdings schon Ankündigungen von Aktionen reichen, um diese zu verhindern oder zumindest zu bekämpfen. So geschehen etwa gerade bei dem von Max Hollein kuratierten, Mitte Mai startenden Mozartjahr-Festival "Kontracom". Die Künstlerin Paola Pivi wollte zu Füßen des Mozartdenkmals bildlich gesprochen einen Helikopter abstürzen - praktisch umgesetzt einfach umgedreht platzieren lassen. Nach Protesten muss sie mit ihrem Projekt des Scheiterns jetzt plötzlich, obwohl von Kunstbeirat und Stadtsenat bereits abgesegnet, aus "genehmigungs-technischen Gründen" auf den Residenzplatz ausweichen.

Interessant wird diese Vorgehensweise auch im Vergleich mit anderer in Salzburg realisierter Kunst im öffentlichen Raum: Um die Proteste der ukrainischen Gemeinde nämlich, deren Kirchenplatz von der ÖVP-nahen "Salzburg Foundation" ungefragt mit einer "Mozartine", einer der schwächsten jüngeren Arbeiten von Markus Lüpertz, "beglückt" wurde, scherte sich die konservative Stadtregierung auffällig wenig. Die Verzweiflung der zeitgenössisch engagierten Salzburger Kunstszene ist nachvollziehbar, nachdem auch noch die für heute, Karfreitag, geplante "Kreuzigungsperformance" der polnischen Künstlerin Dorrota Nieznalska abgesagt wurde. Derart restriktive Mittel sind in der heutigen Zeit nicht mehr adäquat. Hat doch gerade die katholische Kirche über die Jahrhunderte am längsten und vielleicht auch schmerzvollsten von allen Religionsgemeinschaften gelernt, mit Künstlern und Kritik umzugehen.

Und das passiert im Stillen Gott sei Dank auch öfters, als man im Medientrubel vereinzelter Aufreger denken könnte, blickt man etwa in die Grazer Pfarre St. Andrä, wo Hermann Glettler den Glauben an zeitgenössische Kunst und Kirche nicht verliert. Oder in die Wiener Jesuitenkirche, wo Gustav Schörghofer immer wieder Künstler zu Interventionen einlädt.

G
erade in Zeiten, in denen schon einige wenig überlegte Karikaturen zu Ausschreitungen führen können, sollten westliche Kirchen mit gesteigerter Toleranz auf kritische Kunst reagieren. Und sich nicht, wie es gerade der evangelische Bischof in Berlin im Zuge von Katharina Wagners Inszenierung von Puccinis "Il Trittico" tat, darauf ausreden, dass man wie die Muslime auch das Recht hätte, mehr Respekt gegenüber den eigenen religiösen Gefühlen zu fordern. Das wäre ein trauriger Schritt zurück. Und in dieser feindlichen Atmosphäre, so ist zu befürchten, kann auch die von Reibung lebende Kunst nicht den nötigen weiteren Schritt nach vorne tun, um von den derzeit so beliebten banal-plakativen Aktionen wieder zu mehr Tiefe und zu subtileren Mitteln gelangen.

almuth.spiegler@diepresse.com

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