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inen Tag vor seinem Tod im November 1992 malte Kurt Kocherscheidt
sein letztes Bild, einen dunklen Kreis auf braunem Grund. Knapper Endpunkt
eines Künstlers, der mit dem Sterben zu leben gelernt hatte. Ein genetisch
bedingter Herzfehler besiegte letztlich den 1943 in Klagenfurt geborenen
Maler. Das MAK zeigt jetzt sein gedämpftes, mystisches in der schon lange
nicht mehr so genutzten Ausstellungshalle im ersten Stock.
Eine stille, fast zu streng konzipierte Ausstellung. Die
chronologische Ordnung erleichtert den Zugang allerdings enorm, ist die
Fülle besonders der späten Arbeiten Kocherscheidts in Österreich relativ
unbekannt. So wird man also brav geleitet - von einem Amazonas-Bild aus
1971 mit Schlange startend, entlang Kocherscheidts eigenem Grat zwischen
Abstraktion und Gegenständlichkeit bis hin zur Loslösung vom
Offensichtlichen.
Ein erdiger Weg, knallige Farben sind Tabu. Ausgelassen
wird das Frühwerk, als Kocherscheidt noch mit der Gruppe der
"Wirklichkeiten" ausstellte, etwa 1968 in der Wiener Secession. Ein
eigener Abschnitt gilt den Holzplastiken, die in ihrer Zweidimensionalität
an Attrappen oder Kulissen erinnern. Auch Zeichnung und Fotografie sind
von der Ausstellungsarchitektur gegenüber der Malerei ausgeblendet. Gerade
die Fotos, die Kocherscheidt Anfang der 70er Jahre von seinen Reisen durch
Südamerika mitbrachte, helfen allerdings beim Verständnis der seltsamen
Formen, die der Künstler später über die Leinwände fliegen ließ. Sind es
Steine, Löcher, Gewichte, Kugeln? Jedenfalls Urformen, mythisch
aufgeladen, beseelt.
Zu verzauberten Dinners nehmen seltsame Wesen Platz -
bienenhaft, heuschreckenartig, eine Hund/Ratten-Kreuzung. Ein Bild später
in der Ausstellung lösen sich die angerichteten Formen vom Tisch, heben
ab, füllen prall die Flächen. Noch stützen Titel den Blick -
"Grieselsteiner Kosmos", "Russische Hütte". Ab Mitte der 80er Jahre muss
man ohne sie auskommen. Die Signatur "Kappa" reduziert Kocherscheidt auf
den Einzelbuchstaben. Auch die Landschaften sind endgültig verschwunden,
die Körper haben sich in Säulen verwandelt, das traditionelle Bildformat
ist aufgelöst. Er zimmert unregelmäßige Triptychen, verschachtelt
Leinwände zu eckigen Aufbauten, meditative Mosaike. Ähnlich verschachtelt
ist auch die Gestaltung der Retrospektive. Helle Holzwände teilen die
künstlerische Entwicklung in überblickbare Waben.
Das MAK hat eine klare, fast zu akademische Ausstellung
zusammengestellt, die jedenfalls eine klaffende Lücke ausfüllt: ein
ernstes Gegengewicht zur verspielten Kippenberger-Schau im Museum Moderner
Kunst. Die beiden Maler verbindet ein Schicksal: Sie starben zu jung - und
hinterließen dieselbe Frau. Die Fotografin Elfie Semotan musste nach Kurt
Kappa Kocherscheidt auch Martin Kippenberger verlieren.
Bis
5. 10., Mi bis So 10 bis 18 Uhr, Di 10 bis 24 Uhr, Mo geschlossen.
© Die Presse | Wien