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17.02.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Nitsch, der Sieger im Schaurennen
VON PAUL KRUNTORAD
Sammlung Essl. Überraschender Rückblick auf Österreichs Kunst von 1900 bis 2000.

I
n der Bonner Kunsthalle hat vor einem Jahrzehnt auf Initiative ihres Erbauers, Gustav Peichl, Peter Baum "Kunst aus Österreich 1896 bis 1996" gezeigt, inklusive Grafik und Architektur. Jetzt wagen die Essls das riskante Unternehmen, vor dem sich Österreichische Galerien wie Mumok bisher gedrückt haben. Sie gaben Wieland Schmied den Auftrag, in ihrem Museum vorzuführen, was an österreichischer Kunst von der klassischen Moderne bis zur Gegenwart so bedeutend ist, dass es dem Titel "Österreich 1900-2000" gerecht wird.

Mit der Ausstellung "Malerei in Österreich 1945-1995 aus der Sammlung Essl" hat Schmied 1996 bereits Vorarbeit geleistet. Diesmal konnte er in seiner rund 300 Exponate umfassenden Auswahl auch auf Leihgaben zurückgreifen und erhebt für rund 100 Künstlernamen Ewigkeitsanspruch. Die klassische Moderne, Klimt, Schiele, Gerstl, ist mit selten gezeigten Bildern vertreten, von Schmieds für "Konfrontationen und Kontinuitäten" (so der Untertitel) geschultem Blick zeugt die Gegenüberstellung meisterlicher Porträts aus der Hand OKs und MOPPs. Kolo Moser, Carl Moll, den wenig bekannten Sebastian Isepp zählt er zur gleichen Liga wie Arnold Schönberg, dessen Stellenwert als Maler umstritten ist.

Mit einer schönen Auswahl wird Jean Egger im Kapitel "Zwischenkriegszeit" ins Zentrum gerückt. Herbert Boeckls Dominanz wird mit der klugen Auswahl unterstrichen. Schmieds Hauptaugenmerk gilt dem Nötscher Kreis, von den Malern, deren Rezeption (anders als bei den Vorerwähnten) das Dritte Reich beendet hat und denen erst spät Wiedergutmachung zuteil wurde, lässt Schmied aber nicht einmal Alfred Wickenburg, sondern sehr pars pro toto nur Franz Sedlacek und Georg Merkel zu Wort kommen. Sein exquisites Auge und auch sein Sinn für Ironie zeigt sich in der Gegenüberstellung von Alfons Walde und Werner Berg als "Schneemaler", seine subjektive Wertung in der souveränen Missachtung akzeptierter Größen wie Hans Fronius.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts unterteilt Schmied in "Nachkriegszeit" und "Neue Tendenzen". Die Hauptströmungen Ersterer, das Informel (Hollegha, Mikl, Prachensky) sind mit überzeugenden Beispielen vertreten, ebenso die Phantastischen Realisten (Brauer, Hausner, Lehmden, aber nicht Hutter und erstaunlicherweise auch nicht Fuchs). Arnulf Rainer ist mit einem halben Dutzend schwarzer Übermalungen vertreten, Attersee, Kiki Kogelnik, Martha Jungwirth mit späten, wenig charakteristischen Werken. Eine ganze Wand im ersten Stockwerk gehört Maria Lassnig, Anzinger, Schmalix, sie zählen ebenso wie Brandl, Scheibl, Gasteiger, Bohatsch zu den "Neuen Tendenzen". Durchs Wertungsraster sind nicht nur Wolfgang Herzig, sondern auch die ganze Gruppe der "Naturalisten", Martinz, Stark, Schweiger, Schönwald gefallen.

Gnade vor dem Auge des Demiurgen fanden Georg Eisler und Alfred Hrdlicka. Letzteren lässt Schmied nicht als Bildhauer gelten, sondern als Grafiker, allerdings nicht mit Beispielen der großen Radierungszyklen, sondern mit zwei Nibelungen-Zeichnungen. Skulpturen kommen dagegen von Avramidis, Wotruba, Urteil, Hoflehner, Gironcoli, Pillhofer, Prantl, Wurm und West.

Zu den von Co-Kuratoren Silvie Aigner verantworteten "Zeitgenössischen Positionen" leiten etwa Muntean/Rosenblum und Rockenschaub über. Was hier ausgesucht wurde, sind sozusagen Vorschläge für künftige Ankäufe, vieles, wie Anna Meyer und Deborah Sengl, der Figuration verpflichtet.

Im schieren Umfang behauptet sich aber als Dominante der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Aktionismus, und innerhalb dieses Hermann Nitsch. Er belegt mit "Relikten" seines OM-Theaters aus der "Burg" das ganze Kapitel der Installation als Kunstform, für das es ab 1980 auch andere Beispiele gäbe. So ist er der Sieger des Schaurennens durch das 20. Jahrhundert, zu dem sich allerdings nach Wieland Schmieds Meinung so manche, bisher als Fixstarter Geltende, erst gar nicht qualifiziert haben.

Bis 21. Mai, Di-So 10-19h, Mi 10-21h.

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