VN Mi, 25.9.2002

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Verdanken wir ihm Neuwahlen?

Schlingensief-Theater zum Transmitter-Finale

Dornbirn (VN-cd) Die Botschaft, die Christoph Schlingensief, deutscher Regisseur und Politakteur, zum Finale des Transmitter-Festivals nach Dornbirn mitbrachte, ist simpel: Strukturen, die es den "Produzenten von Scheiße ermöglicht, soziale Anerkennung zu erwerben" (womit er in etwa unser System skizzierte), gelte es zu durchbrechen.

Dass es dafür kein eindeutiges Konzept geben kann, ist wohl klar. Ganz ohne Anleitung ließ er seine Zuhörerschaft im voll besetzten Club Conrad Sohm in Dornbirn aber nicht nach Hause gehen. Das gut zwei Stunden dauernde Improvisationstheater, das zwischen Quiz-Show, Vortrag, Performance und Happening mäanderte, behandelte an sich Sichtweisen, Wahrnehmungs- und Kommunikationsphänomene. Dass mit Irritation ("Treten Sie morgen einem Passanten ordentlich auf den Fuß und erklären Sie ihm dabei wie schön es ist, ihm zu begegnen") eine Neuorientierung zumindest in Gang gesetzt werden kann, darf ihm geglaubt werden.

Wer ist ein Nazi?

Darf man sein Neonazi-Aussteiger-Projekt (Neonazis agierten in seiner "Hamlet"-Inszenierung) - wie geschehen - überhaupt kritisieren, wenn fest steht, dass offizielle Projekte des deutschen Innenministeriums nichts bringen, weil die Leute bestenfalls mit einem Anrufbeantworter kommunizieren können? Schlingensief ist Angriffen ausgesetzt und er greift an. Er, der jenen Kandidaten, die er sich aus dem Publikum holt, nun wirklich nicht zynisch begegnet, hat es sich im Übrigen furios zu eigen gemacht, mit Kontrahenten, die ihn anzeigten, zu spielen. Wann und wie und unter welchen Umständen man in unserem Land ungestraft die Wahrheit sagen bzw. jemanden als Nazi, Faschisten oder Waffenschieber bezeichnen darf ("Hitler-Verschnitt Bush" etc.), dürfte deutlich geworden sein. Das Publikum stimmte dem Urteil von Schlingensief wohl ohnehin zu. Dass er am Platzen der schwarz-blauen Koalition mit seiner allseits bekannten Container-Aktion in Wien Anteil hatte, kann er behaupten, zählte er doch zu den lautesten Aufbegehrern.

Christoph Schlingensief

(Foto: Stuppner)




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