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11.05.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Festwochen: Taubenmist im Untergrund
Graeme Millers "Bassline" holt urbane Momente ins U3-Dunkel.

Tauben gehören dazu. Die fallen nur auf, wenn sie penetrant flatternd nach Brotkrumen gieren. Schon geht man weiter, ohne noch einen Gedanken zu verschwenden. Nicht an die Tauben. Nicht an die Passanten. Nicht an die Wortfetzen, die einem zufallen. Greame Miller fällt all das auf. Er hat die Banalitäten des Lebens auf offener Straße eingesammelt, sie an einen dunklen Ort gebracht, wo sie - illuminiert und inszeniert - mystisch funkeln und strahlen.

"Wenn ich das hier sehe, denke ich an Freud und den ,Dritten Mann'", beschreibt Miller die Stimmung, die ihn in dem finsteren, muffigen Gang befällt, der zwei Ausgänge der U3-Station Neubaugasse miteinander verbindet. Hier, wo der Zutritt sonst strengstens verboten ist, hat er seine Installation "Bassline" eingerichtet: Auf elf fächerartig in den schmalen Raum ragenden Leinwänden zeigt Miller Videos von einem Rundgang, der in der U3-Station seinen Ausgang nimmt. "Ich möchte den Blickwinkel auf die Stadt verändern - wir denken, sie ist eine Einheit, aber sie ist sehr komplex, es gibt viele Schichten des Lebens."

Momentaufnahmen reihen sich aneinander. Ein Spaziergänger filmt den vor ihm gehenden, der seinerseits den vor ihm gehenden filmt . . . Miller spult die Filme zeitgleich ab. Diese optische Zeitverschiebung verwirrt. Auf der Suche nach Anhaltspunkten hält man sich am Alltäglichen fest - und erfährt es plötzlich neu, fast geheimnisvoll. Miller hat auch Erzählungen gesammelt: Menschen verschiedensten Alters sind die Route abgegangen und assoziieren - da taucht vieles auf, von Gusti Wolf bis zum Ärger über den Taubendreck. In leisen Schwaden locken die Stimmen immer tiefer in den Raum, der vom dumpfen Bass Tim Harries erfüllt ist. Ein entrückendes Stadt-Erlebnis - nicht nur für U-Bahn-Passagiere. i. w.

Bis 27. Mai, Fr-Mi 11-20, Do 11-21 Uhr, U3-Station Neubaugasse, Eingang Schadekgasse / Ausgang Amerlingstraße.

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