text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst | Arbeitsraum Kunst 
20. Juli 2009
15:19 MESZ

Zur Person:
Miriam Bajtala wurde 1970 in Bratislava geboren, sie lebt und arbeitet in Wien. Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien und einem Lehrgang für Elektroakustik und experimentelle Musik an der Universität für Musik und darstellende Kunst hat sie an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Eva Schlegl studiert. Sie ist u.a. Trägerin des Staatsstipendiums für bildende Kunst (2008) und des MAK-Schindlerstipendiums Los Angeles (2004). Zuletzt wurden ihre Arbeiten bei unORTnung V, bei asymmetrical focus in der Galerie Stadtpark Krems sowie im Technischen Museum Wien gezeigt.

 

 

Miriam Bajtala in ihrem Gastatelier im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (WUK), das sie sich seit mehr als einem Jahr mit der Künstlerin Flora Watzal teilt.

 




 

Raumvermessungen durch performative Mittel: Stills aus den Videos trigger und satellite me sowie (unten) Installationsansicht in der Galerie Stadtpark Krems.

 



 

Das Archiv als Mittel zum Erkenntnisgewinn: Gesamtansicht von im kasten (oben) und Detail der 200-teiligen Arbeit mit Nummerierungen (unten).

 



 

Sprachliche Repräsentanten fiktiver Kunst: Die collector-version (oben, Mitte) und die artist-version (unten) von arbeiten für ohne titel.
Installation in das weisse haus.

 

Hinweis:
Bis 1. August sind Miriam Bajtalas Arbeiten satellite me, trigger und arbeiten für ohne titel in den Räumlichkeiten von das weisse haus zu sehen. Am 25. Juli (15 Uhr) gibt es ein Gespräch mit der Künstlerin.

 

Links:
Miriam Bajtala
(basis wien - Kunst Information Archiv)
www.galeriestadtpark.at
www.dasweissehaus.at
www.unortnung.net


Strukturelle Blickdepots
Mit Videos, Zeichnungen und Installationen systematisiert Miriam Bajtala ihren Blick auf Räume - Sie archiviert ein Allgemeingut der Wahrnehmung

Möglichkeiten zu haben, beruhigt - nutzt man diese oder auch nicht. Sich eigene Möglichkeiten zu schaffen, hilft mehr Möglichkeiten zu haben. "Es macht den Kopf freier", sagt Miriam Bajtala über ihr Gastatelier im Wiener WUK, "wenn ich weiß, dass mir ein echter Raum zur Verfügung steht, in dem ich arbeiten kann." Seit mehr als einem Jahr teilt sie sich mit der Künstlerin Flora Watzal rund fünfzig Quadratmeter: dunkle Schiffböden, sechs Meter Raumhöhe und zwei große gekachelte Fenster. Der Ausblick auf den Himmel und in den Hof des teils begrünten Backsteinbaus öffnet in der Tat den Geist, er-öffnet Möglichkeiten.

Raumkonzepte

"Manche Projekte erfordern echten Raum, andere erfordern inneren Raum", sagt Bajtala, die sich auch künstlerisch dem Thema Raum in seiner strukturellen Viefalt verschrieben hat. Zeichnungen, Videos und Skulpturen gehören genauso wie Installationen und reine Textarbeiten zum Repertoire der in der ehemaligen Tschechoslowakei geborenen und ab dem siebten Lebensjahr in Österreich aufgewachsenen Künstlerin. "Ich bin glücklich, dass ich in der bildenden Kunst methodische Freiheit habe", sagt sie über ihre konzeptuellen Arbeiten, bei denen sie teils von einer ganz konkreten Fragestellung ausgeht: "Ich möchte durch meine Arbeit etwas dazulernen, entweder durch Antworten oder durch neue Fragestellungen."

Fragmentarismen

Bei der zweiteiligen Videoinstallation ohne Schatten (2009), die zuletzt bei der Ausstellung asymmetrical focus in der Galerie Stadtpark Krems zu sehen war und im Moment in das weisse haus gezeigt wird, vermisst Miriam Bajtala etwa eine ausgediente Fabrikshalle mit performativen Mitteln. In einem der sich selbst überlassenen Räume der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien Favoriten, zu dem sie bei der Ausstellungsreihe unORTnung Zugang hatte, konstruiert die Künstlerin eine Art virtuellen Filmraum. Dazu unterteilt sie einen im Durchmesser 18 Meter großen Kreis aus Kreide am Boden in fünfzig gleichmäßige, sich zur Mitte hin verjüngende Teile. Dort, im Zentrum, posiert für das Video mit dem Titel trigger (2009) die Performerin Anna Mendelssohn starr mit einem Feuerzeug in der Hand.

Medienreflexionen

"Ich habe ein bewegliches Stativ gebaut und bin damit fünfzig Mal entlang der am Boden gezogenen Linien auf die Performerin zugefahren", erklärt die Künstlerin, die den dramaturgischen Höhepunkt des etwas mehr als zweiminütigen Videos im Entzünden des Feuerzeuges in der Hand der Darstellerin sieht. Bajtalas Zooms auf die mitunter recht melancholische Szenerie und die zahlreichen Kamerafahrten, die sich erst im Laufe der Zeit als minimale Variationen ein und derselben 'Handlung' lesen lassen, dienen jedoch weniger dem Erzählen von Geschichten, als der Medienreflexion durch Fragmentierung: "Ich schaffe Anordnungen, die Behältnisse für Narration sein könnten. Dabei gehe ich von Räumen aus, die teils verlassen, teils kaputt sind - Räume, von denen man nicht mehr weiß, was man damit tun soll."

Zeitmontagen

In satellite me (2009) bearbeitet Bajtala ebenfalls den Raum der Ankerbrotfabrik. Bei diesem zweiten Teil der Videoinstallation ohne Schatten umkreist sie die Performerin mit der Kamera und zieht in einer Spirale nach und nach ihre Bahnen enger. Die zeitlich auf fünf Sekunden synchronisierten Kleinstfilme zeigen unterschiedliche Blickvarianten auf ein und dasselbe Bild. Im Unterschied zu trigger ist satellite me jedoch nicht zeitlich-linear, sondern mit Hilfe eines Computerprogramms räumlich geordnet. Diese Umordnung der Bilder erklärt Bajtala folgerndermaßen: "Die 50 fünfsekündigen Filme werden so montiert, dass von Film 1 das erste Frame genommen wird, dann von Film 2 das erste Frame usw. bis der Kreis geschlossen ist. Danach folgt von Film 1 das zweite Frame, von Film 2 das zweite Frame usw. bis schließlich alle Frames aller 50 Filme neu geordnet sind." Mit den Wiederholungen und Variationen der Videos trigger und satellite me konstruiert Miriam Bajatla ein offenes Blickdepot, das sie der Wahrnehmung der BetrachterInnen als vermeintliches Allgemeingut zurückgibt.

Archivalia

Ähnlich fragmentaristisch, jedoch mit gänzlich anderen künstlerischen Mitteln, geht Miriam Bajtala bei der großformatigen Zeichnung im kasten (2009) vor. Hat sich die Künstlerin bei Arbeiten wie wand in hand (2006) und projiziertes heim (2004-2006) noch mit der Gesamtheit ihres Arbeitsraums auseinandergesetzt, so beschäftigt sie sich in diesem Fall ausschließlich mit dem Innenleben ihres Kleiderschranks. Bei der rund 4 x 3 Meter großen grafischen Arbeit, die sich aus 200 gezeichneten Einzelblättern zusammensetzt, verliert sie sich - fast manisch, auf alle Fälle aber akribisch - in peinlich genauen Details von gezeichneten Schachteln, Stoffen, Papierrollen, Kleiderhaken und Kunstutensilien. Sie archiviert auf einer Metaebene ihren Blick auf ein Archiv - den Kleiderschrank -, indem sie die einzelnen Arbeitsblätter - die Bildsequenzen - systematisch mit roten Zahlen durchnummeriert.

Arbeitsbegriff

"Durch den Prozess des Archivierens gewinnt man Erkenntnisse", sagt Miriam Bajtala über die Zeichnungen, mit denen sie auch ihre eigenen kleinen Manien aufs Korn nimmt: "Im Grunde bin ich aber gar nicht so sehr am Endergebnis interessiert, sondern eher an der Möglichkeit später etwas untersuchen zu können, was heute noch verborgen ist." Ein weiterer Aspekt, der sich bei im kasten immer wieder aufdrängt ist der Arbeitsbegriff. "Es beeindruckt Menschen, wenn sie an die viele Arbeitszeit denken, die in diesen Zeichnungen steckt," sagt Bajatala über die Art wie im kasten von BetrachterInnen wahrgenommen wird: "Noch einmal würde ich so eine Arbeit aber nicht machen wollen." Sie lacht.

Visualisierungen

Ein ganz anderes Thema behandelt die Künstlerin mit der Foto- und Textinstallation arbeiten für ohne titel (2008/2009). Sie geht dabei von der Methode aus, künstlerische Arbeiten mit 'ohne Titel' zu bezeichnen, um die visuelle Sprache der produzierten Bilder nicht durch sprachliche Zeichen einzuengen. Miriam Bajtala kehrt diesen Prozess um. In fiktiven Serien, die sie beispielsweise improvisation mit zeugen oder unerforschte zeitprobleme nennt, entwickelt sie hypothetische Kunstwerke mit Titeln wie über dinge reden, die sie sonst aus scham vergisst oder wem gehört die konzentration?. Zu sehen sind die fotografierten Abbildungen der jeweiligen Rückseite des Rahmens, in dem die Fotos präsentiert werden. Wird der Rahmen gewendet, kommt das Original zum Vorschein: ein zweisprachiger, mit Schreibmaschine auf weißem Papier getippter Titel.

Entsprechungen

"Es ist ein erwartungsvolles Angebot ohne visuelle Erfüllung," sagt Bajtala über dieses ironische und verwirrende Zappen zwischen Kunstobjekt, visueller und sprachlicher Repräsentation. Ein Angebot, das sich im Kopf der BetrachterInnen erfüllen kann oder sprachliches Zeichen bleibt. "Manche konzeptuelle Positionen finde ich schwierig, vor allem wenn alles in Sprache aufgeht", merkt die Künstlerin zum Schluß an: "Ich versuche auch immer eine Entsprechung in der matertiellen Welt zu finden." Viel mehr noch als mit ihrer Kunst bloße Entsprechungen in der materiellen Welt zu finden, lotet Miriam Bajtala ihren eigenen Blick auf die Welt mit vielfältigen Medien aus. In ihren offenen Archiven und Sammelsurien des Alltags legt sie kontinuierlich ein Depot an Möglichkeiten an. Und wie gesagt: Möglichkeiten zu haben, beruhigt - nutzt man diese oder auch nicht. (fair, derStandard.at, 20.07.2009)

Diesen Artikel auf http://derstandard.at lesen.

© 2009 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.