text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
31. Jänner 2007
20:06 MEZ
Foto: AP /Fiona Hanson
Von der Tate Britain London mit Blicken ermessen. Spektakuläre Architektur ist ein wichtiger Faktor des Erfolgsfaktor Tate.

Total global: Überlebensfragen von Museen
Bei einer Konferenz am Wiener IFK diskutierte man über die Konsequenzen der Globalisierung für Museen

Wien - "Die Leute können in der Tate geboren werden und dort sterben", scherzt T.J. Demos. Für alle Altersgruppen, so der Kunstkritiker und Lektor am University College in London, gäbe es am vier Musseen umfassenden Tate-Netzwerk eine Programmschiene. "Und es scheint fast so, als wäre die Tate erst dann zufrieden, wenn sie jeden auf der Erdoberfläche zu einem Besucher gemacht hat."

Bei vier Millionen pro Jahr hält das Museums-Netzwerk mit der Tate Modern als neuem Prunkstück derzeit und lässt das Pariser Centre Pompidou und das MoMA in New York mit stolzen 2,5 respektive 2,7 Millionen Besuchern, vergleichsweise alt aussehen.

Aber schnöde Zahlen allein, reichen im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr aus, die Identität des Museums als imperiale Struktur aufrecht zu erhalten: Ein 'Mayor Player' der Kunst muss man sein. Einer, der mit genug Definitionsmacht ausgestattet ist, um mitzubestimmen, was denn nun globale Kunst ist und zu sein hat. So wie eben die Tate, die sich nach der Schenkung von Gemälden durch den Zuckermillionär Henry Tate Ende des 19. Jahrhunderts zu einer "gesellschaftlich–politisch-ökonomischen Kunstmaschinerie" entwickelt hat. - Die Frage "Wer kuratiert und wer wird kuratiert?" ist eine Überlebensfrage im Kunstkontext geworden.

Folgen für die Kunst

Welche Konsequenzen die Prozesse der Globalisierung für die Kunstmuseen haben, war auch das Thema einer dreitägigen Konferenz am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien, die deren Leiter Hans Belting gemeinsam mit dem Medientheoretiker Peter Weibel (ZKM Karlsruhe) organisiert hat. Was es bedeutet, wenn nicht mehr nur der Westen die Kategorien der Kunstgeschichte definiert, diskutierten Vortragende aus Europa, Asien und den Vereinigten Staaten, darunter Joaquín Barriendos Rodríguez (Barcelona), Savaº Arslan (Istanbul) und Morgan Perkins (New York).

Während sich Belting sicher ist, dass dieses Jahrhundert kein westlich geprägtes sein wird, vielmehr zeitgenössische Kunstszenen aus anderen Teilen der Welt immer größeren Einfluss gewinnen, stellt Weibel überhaupt die Frage nach der Universalität der Moderne in den Raum. Könne dies nicht vielleicht auch nur ein regionaler statt internationaler Stil sein, eine Auffassung, die wir in kolonialem Bewusstsein anderen Ländern aufgezwungen haben?

Regionale Differenzen werden aber durch das näher rücken einstmals schier unerreichbar weit entfernter Orte - Mobilität und Telekommunikation tragen das ihre bei - zunehmend nivelliert. Das spiegelt sich in Ausstellungen wider, die sich zunehmend als von Geografien, Geschichte und Identität unabhängig gestalten. Gleichermaßen opffenbart das aber auch ein Paradoxon: Trotz Ausstellungen, die immer universellerer werden und oftmals nationale Unterschiede zugunsten der gemeinsamen Marke negieren, gibt es das Festhalten an lokaler Kultur als Spiegel der eigenen Identität und als Waffe zu ihrer Verteidigung

Die Schwierigkeit der Museen ihren kolonialen Wissenstransfer zugunsten eines de-kolonialisierten aufzugeben, beschrieb auch Symposiums-Teilnehmer Barriendos am Beispiel der "lateinamerikanischen Kunst", die als Kategorie und Marke von Sotheby's in den Achtziger Jahren erfunden wurde. "Vorher habe es keinen Markt für lateinamerikanische Kunst gegeben", so Barriendos, was einzig bedeutet, dass die Verkäufe von Künstlern aus Venezuela, Brasilien oder Argentinien, nicht unter dieser Kategorie vermarktet wurden. Statt Einzelausstellungen außereuropäischer Künstler zeigt man lieber unter markttauglichen Schlagworten zusammengefasste Ausstellungen. Total global eben. (Anne Katrin Feßler / Langfassung eines Berichts erschienen in DER STANDARD, Printausgabe, 01.02.2007)


© 2007 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.