Es ist kein schöner Tag. In Finnland ist es eiskalt, der
Himmel ist verhangen. Ein zartes Mädchen in hellblauem Anorak steht vor
einer Fensterfront. Im Spiegelbild das blasse Gesicht, ihre starren Augen,
im Hintergrund grau ein See. Sie zögert, dann zwei Schritte. Mit der Nähe
klärt sich der Blick, zwischen den Lamellen der heruntergelassenen
Jalousien wird das helle Zimmer einsichtig. Ein junger Mann mit nacktem
Oberkörper trainiert mit seinem Lasso, entrückt scheint er mit dem durch
die Luft schwingenden Seil in einem intimen Tanz zu verschmelzen. Das
Mädchen beobachtet ihn unbemerkt hinter der Scheibe. Fassungslos. Sie
tritt zurück, im Fenster wieder nur ihr Spiegelbild.
Zu schön sind die Geschichten, die Salla Tykkä in ihren
kurzen Filmen erzählt, als daß man sie vergessen könnte. Selbst fast noch
ein Mädchen mit ihren 28 Jahren fragt die finnische Künstlerin nach den
Initiations-Momenten eines erblühenden Lebens. Wer ist der Junge mit dem
Lasso? Bruder, erste Liebe, Freund? Sie selbst ist aus seinem Spiel
ausgeschlossen - gehört nicht zu seiner Welt: tragisches Erkennen des
Unterschieds.
Zwei Filme und Photoserien der international
herumgereichten Künstlerin zeigt zur Zeit die Bawag Foundation: "Lasso" -
seit der Biennale von Venedig 2001 bereits im Gedächtnis schwingend - und
"Thriller". Zwei Teile einer Trilogie, die Tykkä im nächsten Jahr
fertigstellen will.
Eine seltsam leichte Traurigkeit füllt Filme wie Photos.
Kein Wort zerreißt die Atmosphäre, die von sorgsam ausgewählter Musik
verstärkt wird - es sprechen allein die Blicke.
Eine stimmige, konzentrierte Ausstellung ist der Bawag
Foundation mit Salla Tykkä gelungen. Doch das scheinbar ewige Problem der
Video-Präsentation bekommt man auch hier nicht in den Griff. Im
verdunkelten Raum sitzend, fühlt man sich vor dem durchgehend laufenden
Film ähnlich hilflos wie das agierende Mädchen: Bin ich schon nahe dem
Ende oder hat gerade alles erst begonnen? sp
Bis 10. November. Täglich 10 bis 18 Uhr. Eintritt
frei.
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