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28.09.2002 - Ausstellung
Wenn Lassos Mädchenträume fangen
Salla Tykkä stellt in der Wiener Bawag Foundation ihre sanften Videos und Photographien aus. Ein Mädchenschicksal.


Es ist kein schöner Tag. In Finnland ist es eiskalt, der Himmel ist verhangen. Ein zartes Mädchen in hellblauem Anorak steht vor einer Fensterfront. Im Spiegelbild das blasse Gesicht, ihre starren Augen, im Hintergrund grau ein See. Sie zögert, dann zwei Schritte. Mit der Nähe klärt sich der Blick, zwischen den Lamellen der heruntergelassenen Jalousien wird das helle Zimmer einsichtig. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper trainiert mit seinem Lasso, entrückt scheint er mit dem durch die Luft schwingenden Seil in einem intimen Tanz zu verschmelzen. Das Mädchen beobachtet ihn unbemerkt hinter der Scheibe. Fassungslos. Sie tritt zurück, im Fenster wieder nur ihr Spiegelbild.

Zu schön sind die Geschichten, die Salla Tykkä in ihren kurzen Filmen erzählt, als daß man sie vergessen könnte. Selbst fast noch ein Mädchen mit ihren 28 Jahren fragt die finnische Künstlerin nach den Initiations-Momenten eines erblühenden Lebens. Wer ist der Junge mit dem Lasso? Bruder, erste Liebe, Freund? Sie selbst ist aus seinem Spiel ausgeschlossen - gehört nicht zu seiner Welt: tragisches Erkennen des Unterschieds.

Zwei Filme und Photoserien der international herumgereichten Künstlerin zeigt zur Zeit die Bawag Foundation: "Lasso" - seit der Biennale von Venedig 2001 bereits im Gedächtnis schwingend - und "Thriller". Zwei Teile einer Trilogie, die Tykkä im nächsten Jahr fertigstellen will.

Eine seltsam leichte Traurigkeit füllt Filme wie Photos. Kein Wort zerreißt die Atmosphäre, die von sorgsam ausgewählter Musik verstärkt wird - es sprechen allein die Blicke.

Eine stimmige, konzentrierte Ausstellung ist der Bawag Foundation mit Salla Tykkä gelungen. Doch das scheinbar ewige Problem der Video-Präsentation bekommt man auch hier nicht in den Griff. Im verdunkelten Raum sitzend, fühlt man sich vor dem durchgehend laufenden Film ähnlich hilflos wie das agierende Mädchen: Bin ich schon nahe dem Ende oder hat gerade alles erst begonnen? sp

Bis 10. November. Täglich 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei.



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