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KunstHausWien: Fotoarbeiten von David LaChapelle

Irgendwo über dem Regenbogen

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Die sind gar nicht so wehrlos, die Sekretärinnen (wenn man ihnen eine Kettensäge in die Hand drückt). Da ist es doch nur ganz natürlich, wenn sie plötzlich im Bikini auf den Schreibtisch springen und ihren Arbeitsplatz massakrieren. Oder mit ihrer Textverarbeitung kurzen Prozess machen, sprich: ihre Computer zerschmettern. (In einem Anfall von Selbstjustiz.) Nein, das sind nicht die Feierlichkeiten zum Welt-Nicht-Bill-Gates-Tag. Das ist der so genannte "Sekretärinnentag". Eventuell so etwas wie der Lostag für das weitere Arbeitsklima, entsprechend der Bauernregel: Macht die Sekretärin einen Amoklauf, dann hört sich das Arbeitsklima auf.
Den Sekretärinnentag hat die Welt David LaChapelle zu verdanken, der die Menschen mit Vorliebe in absurde, hysterische oder einfach nur ungewöhnliche Situationen bringt. Und dann ein absolut perfektes Foto davon schießt. Bunt und opulent wie das Zauberland Oz. Um einen Blick auf seine ausschweifend schrillen, überspannten und mitunter recht drastischen, aber immer aalglatten Welten zu werfen, muss man freilich nicht mit dem Daumen am Straßenrand warten, bis einen der nächste Wirbelsturm mitnimmt. Ein Besuch im KunstHausWien ist völlig ausreichend (bis 22. September). Oder man blättert ein bisschen die "Vogue", die "New York Times", "Vanity Fair" oder den "Playboy" der letzten Jahre durch.
Bei LaChapelle sehen alle gut aus (auf ihre Weise). Im Dienste der Schönheit ist es ihm sogar gelungen, die Rassentrennung chirurgisch aufzuheben. Sein Visagist bedient sich dabei der patentierten Frankenstein-Methode. Dr. Frankenstein muss da seine schwarz-weiße Periode gehabt haben. In diesem einen Fall, wo LaChapelle die Köpfe eines weißen und eines schwarzen Models vertauscht, behalte ich mir vor, es nicht zu glauben, dass er niemals, wirklich niemals mit Computertricks arbeitet.
Der New Yorker aus Connecticut, der aber auch in Los Angeles wohnt und obendrein auch noch einen deutschen Satz beherrscht ("Ich habe zu viel Hausaufgaben"), verwickelt die Leute schon gewohnheitsmäßig in "Schönheitsoperationen" und andere Verhaltensstörungen. In ein gestörtes Frühstücksverhalten zum Beispiel. (Elton John klemmt sich die Spiegeleier hinter seine Brillengläser. Aber Achtung: Eidotter sind als Kontaktlinsen nicht besonders geeignet!)
Meist ist Mode mit im Spiel. Besonders kreativ reagiert LaChapelle auf Schuhe. Von den Geburtswehen bis zum plötzlichen Tod durch einen herabfallenden Riesenhamburger ist der Mensch beschuht. Eigentlich geschmacklos: Sogar im Kreißsaal hat die kreißende Mutter hübsche Stiletto-Sandalen an. Aus dem solcherart traumatisierten Baby muss ja ein Schuhdesigner werden. Das Bild "Giving Birth" könnte also genauso gut heißen: "Giving Birth to the Next Gucci" (den nächsten Gucci auf die Welt bringen). Nicht geschmackvoller, aber dafür makaber (mit einem Anflug von schwarzem Nichtraucherhumor): Die gar traurige Geschichte mit der Crack-Pfeife. Titel: "Mama rauchte eine Crack-Pfeife und trug fantastische Schuhe." Im verkohlten Schlafzimmer kugeln zwei modische goldene Schuhe auf dem Boden herum. Nur die haben überlebt. Kurz: "Ein Häuflein Asche bleibt allein/und beide Schuh', so hübsch und fein." Ebenfalls nicht gerade pietätvoll: das Schuhwerk im Todesstrafenlook (oh, wie dekadent). Die Riemen der Schuhe, die vor einem poppig gelben elektrischen Stuhl liegen, sehen genauso aus wie die Riemen vom Stuhl selbst. Die nicht unbedingt Vertrauen erweckende amerikanische Justiz dürfte aber dennoch noch nicht zu einem Ausleseverfahren wie bei den Gebrüdern Grimm übergegangen sein (Wem die Schuhe passen, der kommt auf den elektrischen Stuhl!). LaChapelle - ein Schuhfetischist? Nein. Der Zauberer von Oz war ja auch keiner, nur weil er zufällig gewusst hat, wie die roten Schuhe funktionieren.
Stars machen Werbung in eigener Sache. Sylvester Stallone, voller Einschusslöcher, ist für eine kurze Zigarettenpause aus seinem Filmtod auferstanden. Die Klebestreifen auf dem Boden zeigen noch deutlich die Umrisse seiner Leichenstarre an. Aber daran, dass er den Rauch nicht auch aus den Löchern in seinem Brustkorb bläst, merkt man, dass er seinen Tod bloß vorgetäuscht hat. Und Pamela Anderson (das ist jene Rettungsschwimmerin von Malibu, die vor lauter Sexappeal immer vornüber ins Wasser gekippt ist) schlüpft gerade kokett aus dem Ei.
Es sind die kleinen, detailbesessenen Geschichtchen, die diese Bilder so faszinierend machen. Ein Astronaut verpasst seine Mitfahrgelegenheit ins All (im Hintergrund fliegt die Rakete ohne ihn ab), weil er lieber Naomi Campbell "bemannt", der er sich mit heruntergelassener Astronautenhose nähert. Ein Raumanzug ist ja nur im luftleeren Raum ein Keuschheitsanzug. In der Erdatmosphäre darf aus dem Anzug entweichen, was will. Im "Playboy" zumindest.
Apropos Potenz: Mit liebevoller Respektlosigkeit nimmt LaChapelle nicht einmal den Nationalstolz der einzig verbliebenen Supermacht total ernst. In Cape Canaveral stehen die Raketen stramm, dass der Weltraum erzittern möge, während ein Mr. Anabolika, der quasi mit seinen Steroiden protzt, eine sehr patriotische Badehose anhat (FKK wäre Fahnenflucht) und von halbwüchsigen Topfennegern umringt ist, die wie Bodybuilder posieren und dabei ambitioniert ihren Bizeps suchen. Diese bis ins letzte Zipferl durchgestylten "Paralleluniversen" sind eben nicht nur unglaublich originell, sondern auch voller Ironie und sonstigem Humor.
Und LaChapelle ist ein wahrer Meister des ästhetischen Schocks. Da lässt er in die schöne Welt, wo Zellulitis ein Kapitalverbrechen ist, eine Frau aus der Zielgruppe für Stützstrumpfhosen hinein. Die lackiert einer lieblichen, madonnenhaften Maid, die einen verklärten, religiösen Blick aufgesetzt hat, die Fußnägel. Hilft also mit ihrem Nagellackpinselchen beim Bild der Vollkommenheit mit. Sozusagen eine Ikonenmalerin bei der Arbeit. Meinen unprofessionellen Schlusskommentar möge man mir verzeihen: Echt geil!

Erschienen am: 28.08.2002

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