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Kunstberichte

Expedition in das Undramatische

Kunsthalle Wien: Fotografie aus Südafrika – die bewältigten Traumata der Apartheid-Vergangenheit
Illustration
- Omar Badsha: „Mr. and Mrs. Haffajee. North Street“ (1982).  Foto: Der Künstler

Omar Badsha: „Mr. and Mrs. Haffajee. North Street“ (1982). Foto: Der Künstler

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Gedanken an Südafrika beinhalten wohl noch immer – mehr als zehn Jahre nach Aufhebung der Apartheid – Erinnerungen an die Kämpfe zwischen Schwarz und Weiß. Seit drei Jahrzehnten aber natürlich auch an Aids. Dabei stehen einem Sensationsbilder von Fotojournalisten vor Augen, die meist mit Grausamkeit die Sensationslust schürten.

In der Kunsthalle gibt es nun jedoch mit acht Beispielen der Fotokunst aus Südafrika einen Paradigmenwechsel im Blick auf Land und Leute. Die Erzählstränge der Katastrophen sind zwar nicht ganz ausgelöscht, aber es gibt eine Wendung in Richtung des Einfangens von Ritualen auf beiden Seiten, von alltäglichen Ereignissen, etwa auf dem Weg zur Arbeit in Bussen. Damit findet eine Bewegung in Richtung internationaler Gegenwartskunst statt auf der Suche nach tiefer liegenden sozialen Codes.

Einer der ältesten unter den gezeigten Fotografen, David Goldblatt, zeigt mit einer Serie von Amtsvorstehern, dass neue Eliten nun auch schwarz sein können. Sichtbarer Unterschied ist mehr die Kluft zwischen arm und reich oder krank und gesund.

Goldblatt hat die Trennung der weißen Eliten noch erlebt und in den 80er Jahren dokumentiert. Dabei ist die nahezu absurde Aufnahme einer Misswahl von Blondies im Badeanzug entstanden, die auch von schwarzem Publikum begleitet wird. Dieses bleibt todernst, während die Mädchen ein seltsam verlegenes, frivol erscheinendes Grinsen zeigen. Identitätskonstrukte zeigen sich in Begräbnisriten und Mahnmalen, von denen aber viele schon zerstört sind oder am Rand von Straßen verstauben.

Tod ohne Schrecken

Pieter Hugo hat die an Aids Verstorbenen im Leichenschauhaus von Kapstadt als Motiv gewählt; von Decken umhüllt, wirken die Köpfe friedlich schlafend, dem Tod wird der Schrecken genommen. Diese Strategie haben auch andere ergriffen, wie die Bildhauerin Berni Searle, die über ihre digitalen Fotos mit Menschengruppen Nahaufnahmen von Abdrücken ihres Körpers in Gewürzen und flüssigen Substanzen überblendet. Das changierende Rot gibt die Vorstellung von traumatischer Befleckung, bleibt aber doch in Realität harmlose Collage. So hat sich eine neue Ethik des Sehens, die Susan Sontag von der Fotografie eingeforderte, hier längst erfüllt. Zwelethu Mthethwa versucht über die Sammelleidenschaften in privaten Räumen eine subtile Abkehr von den althergebrachten Mustern der Repräsentation, er ist auch Zeichner und nach einem Studium in den USA und Unterricht an der Akademie von Kapstadt einer der bekanntesten Künstler seines Landes.

Omar Badsha fängt in "Imperial Ghetto" auch Inder, Moslems und Hindus, daneben Arbeitslose, Liebespaare, Straßenmusikanten, in ihrem Alltag ein. Andrew Tshabangu ergänzt mit zionistischen Riten und Straßenmärkten; im Katalog sind dazwischen die passenden Gedichte von Lebogang Mashile, Oswald Mtshali und Kgafela oa Magogodi abgedruckt.

Nur Jo Ractliffe und der Videokünstler Thando Mama beschwören das Unheimliche mit klaustrophobischen Grenzerfahrungen wie angreifenden Hunden und rauchenden Müllbergen in der Dunkelheit. Doch auch diese künstlerischen Gruselbilder haben nichts von Kampf oder Erhabenheit.

Black Brown White

Fotografie aus Südafrika

Kunsthalle (7., Museumsplatz 1; Tel.: 52189-1201)

Zu sehen bis is 18. Juni

Bewältigte Traumata.

Freitag, 21. April 2006


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