In the army now": Vier junge Männer, von hinten fotografiert, stehen in
einer sandigen, abenteuerlichen Landschaft, in die sie ganz offensichtlich
urinieren. Es sind israelische Soldaten, arrangiert von Adi Nes für seine
Serie "Soldiers", aber die Anmutung ist die einer wild-romantischen
Rockband, der jungen U2 etwa. Der Trupp und die Band: zwei - in ihrer
Ästhetik - vergleichbare Männerbünde?
Einige Meter weiter in der Kunsthalle: das Bild eines
lässig liegenden Soldaten, der sich einen leichten Verband auf eine
offenbar nur milde blutende Wunde drückt und dabei anmutig bis sanft
ennuyiert dreinblickt. Ein militärisches Pin-up, homoerotischer Kitsch?
Und warum wirkt das eigentlich homoerotisch? Fotografiert hat Collier
Schorr, eine New Yorker Jüdin, sie zieht ihren bübischen Objekten auch
Uniformen aus dem NS-Deutschland an.
Solche Bilder, die unsere schnell durch den Kopf
schießenden Interpretationen der Ästhetik des Krieges jäh irritieren, sind
selten in der Ausstellung "Attack!" Das liegt weniger an den Künstlern
oder Kuratoren als an uns: Seit dem vorletzten Golfkrieg und erst recht
seit dem 11. September 2001 ist über Krieg, über seine Ethik und
Ästhetik viel, wenn auch nicht alles gesagt worden. Vor allem die Reden
über die "Schlacht der Bilder" (Paul Virilio), über die angebliche
Virtualität des postmodernen Krieges sind aus den philosophischen
Seminaren in die Leitartikel, ja an die Stammtische gedrungen.
An die Stammtische der so genannten westlichen Welt, wohl
gemerkt. Es gibt ja eine sehr triviale Antwort auf die Frage, warum der
mediale Aspekt des Themas Krieg hier und heute so wichtig ist: weil wir
den Krieg - zum Glück - nur über Medien kennen, und das seit fast 60
Jahren, weil die Narben - und auch die Medaillen - mit ihren Trägern
weniger werden. Die angebliche "Medialisierung" des Krieges ist kaum
typisch für unsere "Zeiten": Immer haben alle verfügbaren Medien - von
Höhlenmalerei über Hieroglyphen bis zum DVD - auch der Darstellung des
Krieges gedient, und das Blut ist auch im Bild nicht röter geworden.
Kann Kunst die direkte, grob-sinnliche Erfahrung des
Krieges ersetzen? Gar eine Basis für "Nie-wieder-Krieg"-Mahnungen
schaffen? Kaum. Der Kitsch der Anti-Kriegs-Kunst verschmilzt allzu oft mit
dem der Pro-Kriegs-Kunst. (Weniger mit dem der Kriegskunst: Die kommt nur
von Können.) Gabriele Mackert und Thomas Mießgang, Kuratoren der
Ausstellung, wissen das. Und ihnen fehlte offenbar die wilde Lust an
wilden - und oft absurden - Thesen über den Krieg und die Welt, wie sie
die Grazer "Mars"-Schau durchdrungen haben. Die (angeblich)
verschwimmenden Übergänge zwischen alltäglicher, "struktureller" und
militärischer Gewalt sind in der Kunsthalle kaum Thema. Dass die Kriege
selbst im Sinn eines "low-intensity war", der nicht erklärt wird und nicht
richtig aufhört, sehr wohl.
Auch auf bereits zum Symbol Avanciertes wird verzichtet,
auf die 9/11-Bilder etwa. Sie sind ohnehin in den Köpfen. In Stephen
Vitiellos "Winds After Hurricane Floyd" hört man vom World Trade Center
aus aufgenommene Geräusche: Man meint, auf die Katastrophe zu warten, die
ja kommen muss, nein: gekommen ist. Dieses "Warten auf Krieg" ist auch
Thema Nin Brudermanns: Er zeigt rohes Doku-Material aus Bagdad, in dem
Explosionen rare Ereignisse sind, die für die Sendung erst
zusammengeschnitten werden müssen, wenn das "Kriegswerk" zum
"Kriegskunstwerk" verdichtet wird, wie Brudermann sagt. Ähnliches hat sich
ja in Zeitungsredaktionen weltweit abgespielt, wenn für die
Kriegsberichterstattung nach einem "Logo" gesucht wurde, das Grauen und
Attraktion in einem Bild bündeln sollte.
So obszön es klingt: An solchen Bildern hat sich auch die
Kunst satt gesehen, sowohl an den wirksam geschnittenen "finished
versions" als auch an den verschwommenen, verzitterten, fehlfärbigen
Originalen. Sergei Bugaev Afrika projiziert solche auf mit schwarzen
Ölflecken besudeltes Kaninchenfell - doch erst der Rand lässt aufsehen:
immer wieder das Foto einer jungen Frau. Die ferne Geliebte eines
Soldaten? Die nahe des Künstlers?
Ein Geheimnis bleibt auch in einem Video von Dejan
Andjelkovic und Jelica Radovanovic: Eine Frau belegt einen Nackten wie
zärtlich mit Fetzen, die wie Verbände aussehen. Dann erkennt man sie als
Mortadella, und die Hunde kommen . . . Ein grausames
Ritual? Das "Ready made" der selben Künstler, in dem Mickey Mouse durch
die Kriegs-Szenarien springt, ist schon an der Grenze zum allzu
Offensichtlichen. Überschritten wird diese Grenze etwa in Richard
Hamiltons "War Games": ein Fernseher, aus dem Blut tropft, das ist
"Medienkritik" mit doch etwas grob geschnitztem Rufzeichen.
Ein solches meint man auch über dem die Halle
dominierenden "Defilé" von Wang Du schweben zu sehen, Pop-art-mäßig
überhöht allerdings: eine Parade, die absolut nicht nach Fernsehen
aussieht, sondern nur nach Plastik-Spielzeug. Ganz vorne zielt ein
chinesischer David mit der Schleuder in den Raum. Herzig.
Der verniedlichte Krieg, die Schlacht für den
Herrgottswinkel, die Waffe als Accessoire: Mit seinen Damen-Handgranaten
und Maschinengewehren à la mode gönnt Antonio Riello dem (Aufsatz-)Thema
handfeste Ironie. Feiner und böser "Quattro stagioni" der "association
apsolutno": In jeweils zwei Details kolorierte Bilder zeigen Dandys, die
auf Fahrrädern vor der Kulisse eines Soldatenfriedhofs posieren. Und, als
ob das nicht genug an Tändelei wäre: Die Bilder sind in Gobelin gewebt.
Die Bildteppiche mit Kriegs-Motiven aus Afghanistan
dagegen kommen nicht aus kokett-naiver Künstlerwerkstatt, sondern aus
Flüchtlingslagern, wurden also von Menschen geknüpft, die den Krieg ganz
und gar nicht nur aus den Medien kennen.
Dringt durch diese Teppiche "Realität" in die
Ausstellung, wird mit ihnen der Krieg irgendwie "erfahrbarer" als mit den
Werken der Künstler, die ja durchwegs selbst nie im Krieg standen? Nein.
Es wäre naiv, das zu wünschen, und es ist auch nicht wünschenswert. Die
intimste Realität des Krieges ist die des Todes, den zu erleben hilft
keine Kunst. In Gianni Mottis Fotos "Landscape (Collateral Damage)" steigt
Rauch von Einschlägen auf über dem Hügelland, wie träger Frühnebel, der
von der Nacht geblieben ist. Hier spürt man eine Ahnung vom Grauen und der
schrecklichen Faszination des Krieges. Näher kann die Kunst ihm kaum
kommen. Sie ist, wie die ganze Kultur, Verbündete des Eros, erklärte
Feindin des Krieges, und Feinden kommt man nicht zu nahe. So zeigt
"Attack!", so paradox es klingen mag, distanzierte, kühle Kunst.
Bis 21. September, tägl. 10 bis 19 Uhr.
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Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien |
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