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Die schwarzen Krähen Allahs |
Die Kunsthalle Wien zeigt ab 31. März erstmals einen Überblick über
das Werk der iranisch-
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Ein Theater voll männlicher Besucher, die
alle gleich gekleidet sind: auf der Bühne singt ein Mann ein
traditionelles persisches Liebeslied, das auf ein bekanntes Sufi-Gedicht
aus dem 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Applaus ist ihm sicher. Ihm
gegenüber auf der anderen Videowand: eine Frau, allein; das gleiche
Theater, doch es ist leer. Sie singt eine unbekannte Melodie, ohne Text,
teilweise elektronisch verfremdet: neu, jenseits der Tradition und
universell verständlich.
Starke und mutige Frauen So wie auf diesem Video stellt Shirin Neshat in all ihren Videoarbeiten
immer wieder islamische Männer- und Frauenwelten gegenüber. Dass die
Frauen dabei, in schwarze Tschadors gehüllt und angezogen, wie es die
Mullahs gerne sehen, die mutigeren, die aufgeweckteren, die moderneren
sind als die Männer in ihren westlichen weißen Hemden und schwarzen Hosen,
verwirrt den westlichen Geist. Schließlich ist der darauf getrimmt, in
mohammedanischen Frauen arme, unterdrückte Wesen und allenfalls noch
fanatische Traditionshüterinnen zu sehen. Das sind sie bei Shirin Neshat
aber nie, weder in ihren Videos, noch auf den beschrifteten
Schwarz-Weiß-Fotografien, die sie berühmt gemacht haben. Die Kunsthalle
Wien zeigt ab dem 31. März nun einen Überblick über das Werk der 1957
geborenen Künstlerin. Im Zentrum stehen die Filme "Rapture" (1999),
"Turbulent" (1998) und "Soliloquy" (1999). Weg vom Opfer-Klischee "Es war immer meine Absicht, die Frauen so zu zeigen, wie ich sie sehe.
Und da entsprechen sie einfach nicht diesem Klischee vom Opfer, vom
unterdrückten, passiven Geschlecht. Für mich haben sie eine ungeheure
Stärke und Kraft, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick sieht, die
aber doch vorhanden ist", meint Shirin Neshat, für die die Frauen
innerhalb der feministischen Bewegung im Iran unglaublich mutig sind. Sie
bewirken starke Veränderungen, die nicht nur mit ihrer Stellung als Frauen
zu tun haben, sondern für die gesamte Gesellschaft relevant sind, meint
Neshat. Kraft durch Bedrohung Es sind die Frauen im nachrevolutionären Iran, die Shirin Neshat in
ihren Arbeiten porträtiert: die schwarzen Krähen, wie sie selbst die
verhüllten, kämpferischen Iranerinnen durchaus liebevoll nennt. Deren
besondere Kraft erwächst aus der prekären Lage, in der sie sich befinden:
Frauen müssen im heutigen Iran den strengen Kleidervorschriften der
regierenden Mullahs folgen; Frauen werden wegen Umgehung des
Kleiderzwanges gefangen, gefoltert und getötet. Kaugummis verboten Auch in "liberaleren Zeiten" wie unter Präsident Khatami ist ihre
Bewegungsfreiheit in der Öffentlichkeit stark eingeschränkt. Sie dürfen
auf der Straße weder lächeln, noch singen, noch Kaugummi kauen oder gar
Rad fahren. Es ist daher nur allzu verständlich, dass diejenigen, die
unter Druck sind, so Shirin Neshat, naturgemäß mehr auf Veränderung
drängen, als diejenigen, die mit dem System zurecht kommen. Und Männer
können in islamischen Gesellschaften nun einmal ganz anders leben, viel
normaler, mittelmäßiger. "Deshalb sind es in meinen Arbeiten immer die
Frauen, die das Unvorhersehbare wagen, und sie sind es, die letztendlich
die Gesetze umgehen und ausbrechen," meint Neshat. Rapture In dem Video "Rapture", das in Marokko gedreht wurde, bleiben die
Männer in der uralten Festung und gehen ihren gewohnten Aktivitäten nach,
während an die 100 Frauen in ihren schwarzen alles verhüllenden Gewändern
zuerst in die Wüste ausschwärmen, um dann in einem kaum seetauglichen Boot
Richtung ungewisser Zukunft ins Meer zu stechen. Die Männer, erstaunt,
winken ihnen von ihrer Festung herunter nach. Shirin Neshat gehört
irgendwie zum Kreis ihrer Heldinnen und irgendwie auch wieder nicht.
"In der Ungewissheit ihres Aufstands schwingt sowohl Mut zur
Veränderung als auch Kritik am bestehenden System mit", meint auch
Kunsthallen-Direktor Gerald Matt, der die Ausstellung kuratiert hat.
"Letztendlich geht es aber auch um die Fragen nach Alternativen des
Bleibens, damit das Weggehen, die Emigration nicht der einzige Ausweg
wäre", so Matt. Tipp: Shirin Neshat in der Kunsthalle Wien
vom 31. März bis zum 4. Juni. Die Filmmusiken zu "Turbulent" und "Rapture" präsentiert die iranische
Sängerin Sussan Deyhim am Freitag, den 19. 5. 2000 im RadioKulturhaus. die
Filmmusik von "Rapture" stammt von Sussan Deyhim, in "Turbulent" trat sie
selbst als Sängerin auf. | ||||||
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