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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
23. Februar 2006
19:49 MEZ
Von
Markus Mittringer

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documenta.de

 

Foto: APA/epa/ Uwe Zucchi
Roger M. Buergel und das Logo der 'documenta 12'

Documenta 12: Kein Genuss ohne Kompetenz
Roger M. Buergel und Ruth Noack präsentierten die Leitmotive ihrer Ausstellung in Kassel

Kassel - Zunächst: Was dem Leiter der Documenta 11, Okwui Enwezor, seine Plattformen waren, sind seinen Nachfolgern, Roger M. Buergel und Ruth Noack, die Medienpartner. Gleich 70 noch nicht näher genannte Partnerzeitschriften - Magazine wie Onlinemedien - treten von nun an in einen selbstredend autonom geführten Dialog unter der Oberaufsicht von GeorgSchöllhammer (springerin, Wien), um Themen und Thesen der Documenta 12 zu reflektieren.

Dem Diskurs unter dem ehrgeizigen Arbeitstitel Zeitschrift der Zeitschriften soll auch ein Teil der Ausstellung in Kassel entspringen. Das deshalb, weil Buergel/Noack die Zeitschrift ganz zeitgemäß nicht nur als Medium der Vermittlung sondern auch als "Organisationsform" verstehen, "die der Ausstellung im Vorfeld den Boden bereitet". Und ebenso bemerkenswert weiter: "Sie gibt dem Publikum das Wissen in die Hand, das dieses braucht, um sich im Raum der Ausstellung kompetent und daher entspannt bewegen zu können." Die erste Ausgabe der Zeitschrift der Zeitschriften ist für die Saison Herbst/Winter 2006 angekündigt, und man wird sich schnell um ein Abo kümmern müssen, um nicht später der Pein ausgesetzt zu sein, nackert vor den Kunstwerken zu stehen, unvorbereitet und naiv, selbst verschuldet krampfgebeugt. Bisher unbestätigten Gerüchten zu Folge haben sich die 70 unabhängigen Medienpartner verpflichtet, über die Ausstellung selbst, die auch im Begleitprogramm der Documenta 12 stattfindet, nicht zu berichten.

Was tun? ist eine der drei Fragen, mit der diese Documenta ihr "Publikum bilden", quasi jeden betreffen will; um dann tiefer zu gehen, die Verletzlichkeit des Besuchers, die exstatischen und apokalyptischen, aber auch die lyrischen Anteile unserer Existenz (und die moralischen Standards, dieses ordentlich zu führen) zu durchleuchten: Was ist das bloße Leben?

Derart ästhetisch vorgebildet, sollte deren drittes Leitmotiv - Ist die Moderne unsere Antike? - jedem einzelnen als Einladung zum freudigen Palaver unter gleich Kompetenten dienen. Nun ist die höchste Stufe erreicht, endlich gibt es weder Differenz noch Identität: endlich meinungsfrei! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.2.2006)


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