Prozess um Aktionskünstler
Von APA / WZ Online
Aus Protest gegen die Ehrung von "verbrecherischen Organisationen"
hatte der deutsche Aktionskünstler Wolfram Kastner bereits mehrmals
Gedenkschleifen mit der Aufschrift "Unseren gefallenen Kameraden der
Waffen-SS" zu Allerheiligen am Salzburger Kommunalfriedhof
abgeschnitten.
Der Münchner steht deswegen heute, Montag, wegen schwerer Sachbeschädigung vor dem Amtsgericht München.
Die Staatsanwaltschaft München hat einen Strafantrag in der Höhe von
750 Euro erstellt. "Das Amtsgericht hatte sich aber geweigert, den
beantragten Strafbefehl zu erlassen und deshalb den heutigen
Verhandlungstermin festgesetzt", erklärte Kastners Rechtsanwalt Jürgen
Arnold.
Für den Aktionskünstler, der sich einen Freispruch erhofft, ist eine
Strafverfolgung in Deutschland rechtlich gar nicht möglich. "Der
Staatsanwalt hat möglicherweise verschlafen, dass der Anschluss
Österreichs von 1938 nicht mehr rechtsgültig ist." Die
Staatsanwaltschaft München setze sich selbst dem Verdacht aus, eine
terroristische Vereinigung zu unterstützen, meinte sein Rechtsanwalt.
Kastner hatte eigenen Angaben zufolge in den Jahren 1994, 1999,
2002, 2003 und 2004 jeweils am 1. November die Kranzschleifen der
österreichischen Veteranen "Kameradschaft IV" abgeschnitten. Es folgten
Anzeigen wegen Störung der Totenruhe, Sachbeschädigung, dauernde
Sachentziehung und Störung der öffentlichen Ordnung. "Diese Verfahren
wurden in Österreich wegen mangelnder Strafwürdigkeit eingestellt",
betonte Jürgen Arnold.
Wegen des besonderen öffentlichen Interesses hielt der Münchner
Staatsanwalt ein Einschreiten für geboten. "Es scheint ihm entgangen zu
sein, dass die Waffen-SS im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess zu
einer verbrecherischen Organisation erklärt wurde. Nach deutschem Recht
ist die demonstrative öffentliche Ehrung der Waffen-SS und nicht das
Entfernen einer Banderole mit der Aufschrift ´Waffen-SS´ als
Rechtsverstoß zu werten", so Kastner.
Im Vorjahr informierte die Staatsanwaltschaft Salzburg den leitenden
Oberstaatsanwalt in München I über den jüngsten Vorfall: "Um den
braunen Spuk zu beenden", hatte Kastner zusammen mit Hanne Hiob - einer
Tochter Bertold Brechts - und dem Wiener Regisseur Hubert Kramar am 1.
November 2004 wieder eine schwarze Kranzschleife abgeschnitten und sie
Bundespräsident Heinz Fischer geschickt. Vor dem Kriegerdenkmal
pinselten die Aktionisten noch mit weißer Farbe "Wir ehren die von der
SS ermordeten Deserteure" auf den Asphalt.
Für öffentliche Aufregung hatte Kastner auch im August 2001 in
Salzburg gesorgt. Als Professor der Sommerakademie ergänzte er
handschriftlich ein unvollständiges Zitat des Zionismus-Begründers
Theodor Herzl, das auf einer Marmortafel der Neuen Residenz stand. Das
Zitat wurde nach großem Medienecho schließlich vollendet. Das
Strafverfahren wurde vom Bezirksgericht Salzburg im September 2002
unter einer Probezeit von einem Jahr eingesellt.
Montag, 20. Juni 2005