"Das ist alles durchkonstruiert"
Wiener Zeitung: Sie arbeiten als Paar gemeinsam an ein und dem selben
Bild. Das ist ungewöhnlich. Muntean: Es stimmt schon, dass da
vierhändige Bilder entstehen. Der Entstehungsprozess freilich gliedert
sich in viele Phasen. Rosenblum: Und das ist viel banaler als man
denkt. Wir haben uns an der Akademie in Wien kennen gelernt. Jeder hat
lange seine eigenen Dinge gemacht. Doch dann war es eine bewusste
Entscheidung zusammenzuarbeiten. Wir wollen auch, indem wir eine
gemeinsame Identität konstruiert haben, einem herkömmlichen, auratischen
Künstlerbild entgehen. Muntean: Das ist natürlich eine rein
konzeptuelle Angelegenheit. Rosenblum: Unsere Arbeit besteht aus
verschiedenen Medien, Video, Malerei, Fotografie, Installationen. Diese
wollen wir möglichst alle bedienen.
Die Malereien entstehen auf der
Basis von Life-Style und Fashion-Magazinen. Wir versuchen dieses
Material zu recyclen und der Wiederverwendung eine komplett andere
Bedeutung zu geben. Es gibt in diesen Magazinen keine Abbildungen
von reifen und erwachsenen
Menschen. |
Die Malereien entstehen auf der Basis von Life-Style und
Fashion-Magazinen. Wir versuchen dieses Material zu recyclen und der
Wiederverwendung eine komplett andere Bedeutung zu geben. Es gibt in
diesen Magazinen keine Abbildungen von reifen und erwachsenen Menschen.
Unsere Gesellschaft basiert auf dem Image der Jugendlichkeit. Muntean:
Uns liegt daran, mit dem Life-Style-Material so umzugehen, dass die
Diskrepanz zwischen Image und Wirklichkeit deutlich wird. W. Z.: Sie
beschäftigen sich also mit der Vergänglichkeit? Rosenblum: Wir wollen
nicht sagen, dass die jungen Vorzeige-Menschen aus den Magazinen keine
Identität haben, aber sie werden als identitätslose Geschöpfe abgebildet,
als virtuelle Figuren. Muntean: Das ist ein Prozess der Individuation,
in den wir das Porträthafte, das Auratische der Malerei dann wieder mit
einbringen wollen. W. Z.: Es gibt einen intensiven Dialog zwischen
ihren Bildern und den Texten, die sie ihnen unterlegen. Rosenblum: Es
geht uns um den nicht gehörten Schrei, um die Sprachlosigkeit, der wir
entgegenwirken wollen. Muntean: Wobei immer zuerst das Bild entsteht
und der Text abschließend hinzugefügt wird. Die Texte stehen keineswegs in
einem Eins-zu-Eins-Erklärungsverhältnis zu den Bildern. Sie sollen das
Element des Pathos, des Emotionalen verstärken und weiterführen zu der
Frage, wer da eigentlich spricht. Also suchen wir meist Texte, die
etwas Aphoristisches haben oder auch pathetisch beladene "Weisheiten", die
sich an der Kippe befinden zum Nichtssagenden; Philosopheme könnte man
sagen. Rosenblum: Natürlich wollen wir den Betrachter berühren und
setzen dafür die Sprache ein, die immer eine stärkere Betroffenheit
auslöst. Es soll sein wie eine Momentaufnahme des Innehaltens, ein
Augenblick der Erleuchtung, der die Bilderflut, der wir täglich rund um
die Uhr ausgesetzt sind, zum Stoppen bringt. W. Z.: Gehen all eure
gemalten Figuren auf Abbildungen zurück? Rosenblum: Ja, durchaus.
Wir nehmen von einer Abbildung den Kopf, von einer anderen den Körper. Das
ist alles durchkonstruiert. Die Images aus den Magazinen sind unser
Material.
Muntean: Indem wir Texte
benutzen, wollen wir auch weg von der Vorstellung des autarken
Bildes, des Tafelbildes, das die Welt als etwas in sich
Geschlossenes repräsentiert; wir wollen weg von der Implikation, man
könne die Welt tatsächlich
abbilden.
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Muntean: Indem wir Texte benutzen, wollen wir auch weg von der
Vorstellung des autarken Bildes, des Tafelbildes, das die Welt als etwas
in sich Geschlossenes repräsentiert; wir wollen weg von der Implikation,
man könne die Welt tatsächlich abbilden. W. Z.: Gleichzeitig stellen
Sie auch das Bedeutungsvolle der Sprache in Frage? Rosenblum: Was
hinführen soll zu der Frage, wie es denn weitergehen soll mit der modernen
Gesellschaft ohne wirkliche Religion und ohne Werte. Muntean: Wir
spielen auch mit dem Misstrauen gegenüber der Sprache, denn jede Frage
nach der Identität zieht die Frage nach sich, wer da eigentlich spricht.
Da spielen sehr viele Elemente des Poststruktualismus mit. W. Z.: Sie
sprechen an auf die mögliche Diskrepanz zwischen Individualität und
Sprache. Rosenblum: Wir gehen aus vom Individualismus als einer
romantischen Idee des 19. Jahrhunderts. Zudem ist das von uns verwendete
Material auch anti-individuell. Alles was wir aus den Modemagazinen und
der Werbung sammeln ist uniform geprägt und bestimmt von Codes.
Muntean: Individuationsgesten und Subjektivitätssplitter - dieses
Material wollen wir offen halten mit Blick auf die Möglichkeiten des
homogenen Subjekts. W. Z.: Ich habe festgestellt, dass ich zunächst
sehr emotionell auf ihre Arbeiten reagiert habe, dann aber, nach
intensiverer Auseinandersetzung innerlich auf Distanz zu den Bildern
gegangen bin. Muntean: Das beabsichtigen wir. Wir wollen eine
komplette Identifikation verhindern, weil uns das naiv erscheinen würde.
Rosenblum: Im Grunde wollen wir ja, dass sich der Betrachter dabei
ertappt, berührt zu werden und sich dann Gedanken darüber macht. W.
Z.: Aus vielen der den Bildern unterlegten Slogans spricht der
Erbschuldgedanke. Rosenblum: Wir haben uns stark damit
auseinandergesetzt, wie man existentielle Fragen nach dem Sinn des Lebens,
nach Tod und Erlösung heute malerisch umsetzen, beziehungsweise
beantworten kann. Die alten Meister, wie Tizian, haben darin für uns
Vorbildfunktion. W. Z.: Ein Bild sehe ich diesbezüglich als
exemplarisch. Es zeigt einen ratlosen, jungen Mann, den sie sagen oder
denken lassen, man könne ihn im Grunde ja für alles, was ihm an sich
selbst gefalle, ins Gefängnis stecken. Faszinierend daran ist, dass dieser
Mensch in der denkbar größten Beziehungslosigkeit zu sich selbst steht.
Rosenblum: Ja, diese Figur steht sich selbst völlig verständnislos
gegenüber und wir wollen ihr helfen, ihr Unbehagen als Anklage zu
artikulieren. W. Z.: Ist das Thema Jugendkultur für sie von
uneingeschränkter Aktualität? Muntean: Das hat sich als Essenz unserer
Arbeit herausgebildet und hat mit behutsamer Selektion zu tun. Doch soll
sich kein falscher Realismusbegriff einschleichen - unsere Darsteller sind
alle Konstrukte. Rosenblum: Wir wollen jede Psychologie vermeiden.
Eher sind wir einer Archetypus-Idee auf der Spur. Wir vermeiden es auch,
uns selbst zu thematisieren, indem wir zusammenarbeiten. Die Vermeidung
alles autobiographischen Materials gehört zu unserem Konzept. Muntean:
Wenn der Künstler selbst visuell präsent wird, bekommt das Werk eine ganz
andere Gewichtung und neue Implikationen und Konnotationen, denen man sich
stellen muss. Rosenblum: Vielleicht sind wir als Maler eher so wie
Regisseure, die Filme machen. W. Z.: Sind sie als (Liebes-)Paar sehr
symbiotisch? Rosenblum: Oh ja, das ist eine Lebensaufgabe, die wir
teilweise auch schon erfüllt haben. Und das war sehr schwierig.
Erschienen am: 08.02.2002 |
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