Generali Foundation: Arbeiten von Gustav Metzger
Destruktive Kunst als Kreativpotenzial
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Aller Widernisse zum Trotz: Unter dem Titel "Geschichte Geschichte"
zeigt die Generali Foundation nun das Werk des großen Enfant terribles
Gustav Metzger.
Das Werk des 1926 in Nürnberg geborenen, heute in London lebenden
Gustav Metzger auszustellen und darüber eine erste Monografie zu
erstellen, ist nicht einfach: hat der Künstler doch Jahre auf Reisen
verbracht, nie ein Archiv angelegt, viele Werke waren ephemer oder als
einmalige politische Demonstration oder Kritik am Kunstbetrieb gedacht.
Dazu lebt er mit einem Pass als Staatenloser ohne Telefon und ist sehr
genau in der Abgrenzung von parallel laufenden ähnlichen Aktivitäten
der 60er-Jahre, auf die er großen Einfluss hatte, wie Fluxus und Wiener
Aktionismus; er lässt sich von Journalisten nicht fotografieren und
will über seine Auftritte allein bestimmen.
Einflussreicher Zerstörer
Der Generali Foundation ist es dennoch gelungen, eine Präsentation
dieses so breit wirksamen Werks auf die Beine zu stellen (bis 28.
August). Zu den Dokumentationen über das 1966 in London von Metzger
initiierten "Destruction in Art Symposium (DIAS)", bei dem Nam June
Paik, Yoko Ono, Wolf Vostell, Günther Brus, Otto Mühl, Herrmann Nitsch,
Peter Weibel u. a. aus aller Welt zusammenkamen, gibt es Filme, Fotos,
das Plakat und den Briefverkehr – und auch der berühmte Film über Yoko
Onos Aktion "Cut Piece" erweist sich als eine Co-Produktion mit Metzger.
Seit den 90er-Jahren hat sich der Künstler bewegen lassen, seine Werke
oder Werk-Relikte aufzubewahren, besser fotografisch und filmisch
festzuhalten, weshalb einige wesentliche Gruppen nun doch in
Kunsthallen und Museen, die er grundsätzlich scharf kritisiert hatte,
für das Publikum sichtbar werden: so seine Diashows mit den sich
wandelnden Farbmodulationen "Liquid Crystal Environment" oder sich
selbst auflösenden "Acid Nylon Paintings". Künstler wie Daniel Spoerri
oder Jean Tinguely haben Metzgers Einfluss auf ihr Werk ebenso wenig
bestritten wie die Popkultur, so z. B. der Bandleader der Gruppe "The
Who", Peter Townshend, der seine Gitarre auf der Bühne zertrümmerte wie
der Litauer Fluxuskünstler Georg Maciunas. Die Projektion der
Flüssigkristalle auf der Bühne während eines Konzerts der Band "The
Cream" läutete eine neue Ära des audiovisuellen Bühnenbilds ein.
Die hochpolitische Aktivität in der Phase der autodestruktiven Kunst
(1959 als Begriff von Metzger geprägt) wurde als Kritik an der
Geschichte des 20. Jahrhunderts, als Aufarbeitung des
Nationalsozialismus, dem Metzger nur knapp durch das "Refugee Children
Movement" mit seinem Bruder entkommen war, aber auch an nuklearer
Aufrüstung, Naturzerstörung und Wirtschaftsdenken der Nachkriegszeit
verstanden. Deshalb ist der Titel der Ausstellung mit "Geschichte
Geschichte" klug gewählt, da Metzger auch im Konzept hinter seinen
letzten Werken mit Zeitungen und vor allem den "Historic Photographs"
seine Position gegen undifferenzierte Geschichtsfälschung einnimmt:
1999 entstand das mit Brettern verschlagene Historic Photograph No 1 –
die Ansicht der Menschen im Warschauer Ghettos bleibt ebenso verborgen
wie Hitlers Rede im Reichstag verhängt ist.
Seine kleinen Eingriffe mit großem Effekt und die Distanz vom
"Priesterkünstler-Typus" machen betroffen, seine
Transformationsprozesse mahnen mit Ironie vor den Irrtümern des
Kapitalismus – Metzger hat sich spät an eine junge Szene in London
angeschlossen, die sich nun in dritter Generation an seinem hohen
kreativen Potenzial orientiert. Er glaubt nach wie vor, dass ziviler
Ungehorsam die Weltpolitik verändern wird: Ein Optimismus, ohne den die
seit den 50er-Jahren wesentliche destruktive Richtung der Kunst in
ihrer Kritik am herrschenden Markt wahrscheinlich undenkbar wäre.
Samstag, 18. Juni 2005