Der Mumienvater von Wien Meister des Skizzenhaften
Frauenbad/Baden: Zens - Retrospektive
Von Claudia Aigner
Der Zens kann jetzt jedenfalls von sich behaupten, dass er im
Frauenbad in Baden in jeder einzelnen Damenumkleidekabine gewesen ist.
Freilich sind da eh keine gschamigen Damen mehr drin. Sondern Mumien
(unter anderem).
Aber nicht, weil die Damen sich etwa beim
Umziehen zu viel Zeit gelassen hätten, bis sie also zwangsläufig
irgendwann unter den "Lebenden
a. B." waren (a. B. wie "außer
Betrieb") - bei den Tücken eines Mieders wäre das ja durchaus
nachvollziehbar. Vielmehr geben da die weltberühmten Mumien aus Palermo,
die auch noch nach 200 Jahren viel Persönlichkeit haben, ein kleines
Gastspiel. Sie befinden sich nämlich auf ein paar Blättern vom
"Mumienvater Zens", der schon so oft in den Katakomben von Palermo gewesen
ist, dass er wohl einmal einen Meldezettel wird ausfüllen müssen. Das
Frauenbad selbst, ein klassizistischer Bau, in dem noch bis 10. November
die reich bestückte Herwig-Zens-Retrospektive läuft, ist eine
Sehenswürdigkeit für sich. In die intimen, mit Radierungen und kleinen
Gemälden behängten Kabinen können die schaulustigen, sprich "zenslustigen"
Besucher nur einzeln eintreten, um sie nicht überzubevölkern. Und das
Schwimmbecken unter dem Glasfußboden liegt da wie in einer gläsernen
Gruft. Und ist mindestens so entwässert wie die Palermo-Mumien.
Natürlich, sonst wär das schließlich nicht der Zens, verfolgt einen
hier auch der Tod höchstpersönlich, dieses agile Gerippe, dieser makabre
Geselle mit den zahlreichen Vitalfunktionen, der beim Zens musisch und
hormonell sehr begabt ist, Geige spielt und ein Wollüstling ist, obwohl
der knochige Tod selbst ja nicht gerade aus sehr hautsympathischem
Material besteht. Sogar auf den Möbeln, die Herwig Zens bemalt hat, ist er
drauf. Im Büro des Schoenberg-Chors. Zens: "I haltats dort ka Stund aus."
Wahrscheinlich liegt' s am wuchtigen Blau, das einem schwer in den Augen
liegt. Zwei "Totentanz-Sessel" stehen zum Probeschauen und
"Netzhautbeschweren" im Frauenbad. Ebenfalls da: das weniger blaue
"Schubertklavier", das sich einem Malbefehl vom Leiter des
Schoenberg-Chors, Erwin Ortner, verdankt: "Du, in zwei Stunden kommt die
Firma Bösendorfer und bringt ein Klavier. Das malst du an." Basta. Da half
dem Zens dann wie dem Heidenröslein kein Weh und Ach (Zens: "Ein Klavier
ist an sich eh scho scheen gnua."). Der Zens, einmal in Fahrt, hat es sich
dann allerdings verkneifen müssen, "auch die Tasten zu bemalen, dass man
sie nicht mehr findet". Das wäre ja Pianisten-Quälerei bzw. Beihilfe zur
Kakophonie. Praktisch der ganze Zens, der bis unter die Fingernägel
Maler und Druckerschwärzling ist, hängt da: der Zens, der gern die alten
Meister paraphrasiert und Zitate einbaut (die schöne Helena trägt bei ihm
ein Korsett von Mainboucher wie auf dem Modefoto von Horst P. Horst), der
Zens also, der den Kunsthistorikern das verdammt gute Gefühl gibt, dass
sie nicht umsonst Bilder auswendig gelernt haben (Jessas, der Wanderer
über dem Nebelmeer vom Caspar David Friedrich!), und der Zens, der einen
Hang zum Tod und zum üppigen Gegenteil hat, und jener Zens, der klassisch
belesen und musikalisch belauscht äh bewandert ist und Schuberts
"Winterreise" oder den "Don Quixote" bebildert hat. Er ist ein Meister des
Skizzenhaften, ein brillanter Zeichner und Radierer, woraus jetzt
unmissverständlich hervorgeht, dass ich zu denen gehöre, die an seinen
gemalten Bildern immer herumnörgeln müssen. Da mach ich nur zwei
Ausnahmen: bei seinem Zyklus zu Hugo Distlers "Totentanz" und bei seinem
alten Sensenmann in der Friedhofskapelle in Brunn am Gebirge. Ja, die
Zeiten sind vorbei, wo ein Professor der Akademie im Sacher gratis
frühstücken durfte. Ich erlaube mir deshalb vorzuschlagen, als kleines
Trostpflaster, den Zens trotzdem zum wohlverdienten "akademischen
Sachertortenbauch" zu schlagen (auch wenn er sich den Bauch, den er 1997
in einem Selbstporträt so eindrucksvoll verewigt hat, selber zahlen hat
müssen). Vielleicht etabliert sich dieser Ehrentitel ja irgendwann.
Erschienen am: 25.10.2002 |
. |
![](00056529-Dateien/kunst.gif)
Der Mumienvater von Wien Meister des Skizzenhaften
Institutionen locken mit freiem Eintritt und Spezialprogramm
Unterhose von Brahms und eine Rippe von Schubert
Auf Initiative der ÖVP Kärnten:
"Angewandte" im Spitzenfeld
Galerie Klaus Engelhorn/Vienna le: Arbeiten von Yoko Ono
150 Jahre Kunstgeschichte: Feier und Symposion
Quer durch Galerien
Historisches Museum: "Neue Donau - Neue Welt"
![](00056529-Dateien/aktuell.gif)
![](00056529-Dateien/oper.gif)
![](00056529-Dateien/theater.gif)
![](00056529-Dateien/konzert.gif)
![](00056529-Dateien/literatur.gif)
![](00056529-Dateien/film.gif)
![](00056529-Dateien/fernsehen.gif)
![](00056529-Dateien/links.gif)
|
. |