17.04.2002 18:00:00 MEZ
Verhaltene Eruptionen
"Markus Prachensky - Eine Retrospektive" zum 70. Geburtstag im Oberen Belvedere

Die Österreichische Galerie im Oberen Belvedere widmet Markus Prachensky zum 70er eine Retrospektive. In der Rückschau zeigt sich Prachenskys Entwicklung vor allem als Arbeit an der Fertigkeit.


Wien - Im März wurde er siebzig. Die Österreichische Galerie gratuliert retrospektiv und belegt - weniger wäre bedeutend mehr gewesen - seinen enormen Wiedererkennungswert. "Der abstrakte Expressionismus", schrieb Clement Greenberg 1964, "war und ist ein künstlerischer Stil, und wie andere Stile hatte er seine Höhen und seine Tiefen. Anfangs hatte er sehr bedeutsame Kunst hervorgebracht, doch dann wurde er zu einer Schule, dann zu einer Manier und schließlich zu einer Ansammlung von Manierismen."

Markus Prachenskys Abstraktionen erweisen sich, gerade in der retrospektiven Häufung, als sozialpartnerschaftlich. Es sind versöhnliche Ausbrüche, verträgliche Reaktionen. Sie repräsentieren den Streik, der ob einer vorgeblich das Gemeinwohl sichernden Übereinkunft doch nie stattfinden wird.

Es sind Vorbeben, mahnende Phrasen, die "Auflösung", die "Überschreitung" als Drohung in den Raum stellen, die doch nie wahr gemacht wird, die den Exzess vorauseilend als Anlassfall zur Läuterung begreifen. Den Rasen, den zu betreten im Nachkriegsösterreich stets verboten war, ersetzt Prachensky durch die Pracht der üppigen Wiese. Das Betreten bleibt verboten, die Lust findet, wie gehabt, nur in der Sünde statt.

Markus Prachenskys Lyrik ist gekonnt: kontrolliertes Spritzen, sauberes Dripping, punktgenaues Abweichen - visuelle Konsenspolitik - gleich museums- wie postertauglich. Prachensky, retrospektiv betrachtet, zeigt die Entwicklungsgeschichte einer Fertigkeit - die zwangsläufig ins Geschmäcklerische münden musste. Betont wird immer das Moment des "nicht Wiederholbaren", der nicht mehr zu korrigierende Pinselschwung, den Prachensky 1958 und 1960 sogar öffentlich vorführte, seiner Peinture Liquide selbst das Zeugnis der Bühnenreife ausstellte.

Georges Mathieu, ein großer Reisender, hat Amerika, hat die Handelnden des abstrakten Expressionismus nach Frankreich gebracht. Und hat selbst volkstümliche Varianten seiner Importe produziert. Mathieu hat vor allem der Malerei auf dem Montmartre neue Wege eröffnet. Und damit den röhrenden Hirschen aus seinem Revier über der Ottomane vertrieben. Seine Präsenz in der Wochenschau machte ihn - im Verein mit Yves Klein - endgültig zu einem der großen, wenn auch indirekten, Wegbereiter der Moderne. Markus Prachensky hat dann Georges Mathieu nach Österreich importiert. Konsequenterweise wurde er Professor an der Akademie am Schillerplatz.

Wege zur Akademie

Mit Wolfgang Hollegha, Josef Mikl und Arnulf Rainer gründete Prachensky 1956 die Gruppe "Galerie St. Stephan". Monsignore Otto Mauer war der Förderer der Stunde, Rhythmus ihr zentrales Motto. Bis auf Arnulf Rainer schrieben alle Gründerväter "nur" österreichische Kunstgeschichte. Hollegha, Mikl und Prachensky haben ihre Vorbilder letztlich nur zum Anlehnen benutzt, Bilder in der Art des Tachismus oder des Informel produziert. Delikate Bilder. Rainer hat - was im Spätwerk auch zur Manier wurde - die Vorbilder, zornig sich aufbäumend, ausgelöscht.

In den späten 60er-Jahren bereiste Prachensky die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Folge waren California Paintings. Zuletzt hat er die Reise - Rückschau haltend - noch einmal nachvollzogen: California revisited. Was er dort vorgefunden hat, war Prachensky. Und den zitiert er jetzt. Markus Prachenskys jüngste Arbeiten sind, parallel zur Retrospektive im Oberen Belvedere in der Galerie Ulysses ausgestellt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 4. 2002)


Quelle: © derStandard.at